Proteste der «Gelbwesten» eskalieren
Das riecht nach Revolution

Am Samstag kam es in Frankreich bei Demos von Gilets jaunes erneut zu Ausschreitungen. In ihrem Kern erinnert die Bürgerbewegung an die Zeit von 1789.
Publiziert: 02.12.2018 um 17:14 Uhr
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Aktualisiert: 03.12.2018 um 11:04 Uhr
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Auf der Pariser Rue de Rivoli brannten am Samstag Motorräder und Scooter.
Foto: Getty Images
Dana Liechti

Frankreich brennt: Gestern kam es am dritten Samstag in Folge zu gewalttätigen Protesten der «Gelben Westen», der Gilets jaunes.

36000 Menschen demonstrierten überall im Land. Unweit des Pariser Arc de Triomphe gingen Randalierer und Ordnungskräfte aufeinander los. Fahrzeuge wurden angezündet, Geschäfte geplündert, Pflastersteine flogen. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Wasserwerfern. Mindestens 80 Menschen wurden verletzt, 200 verhaftet. Videos zeigen, dass sich auch Rechtsextreme unter die Demonstranten gemischt hatten. Premierminister Édouard Philippe sprach von einem selten gesehenen Ausmass von Gewalt.

Die Gilets jaunes bestimmen die politische Agenda. Präsident Emmanuel Macron sieht sich mit einer völlig neuen Bewegung konfrontiert. Zwar sind die Franzosen dafür bekannt, laut und kämpferisch zu demonstrieren – bislang aber wurden die Proteste von Parteien oder Gewerkschaften organisiert. Seit der Französischen Revolution hat es keine Bewegung mehr gegeben, die so spontan aufflammte und in der Bevölkerung so viel Rückhalt fand.

Vor allem die Ärmsten gehen auf die Strasse

Ein Hauch von 1789 weht durch Frankreich! Fast ist es ein Déjà-vu: Die Bürger sind wie im Revolutionsjahr unzufrieden, sie fürchten um ihre Existenz und die Zukunft ihrer Kinder.
Nur sind es diesmal keine Handwerker und kleine Geschäftsleute, sondern die Ärmsten Frankreichs. Jene, die am Ende des Geldes noch viel Monat übrig haben, darunter viele Ältere mit zu kleinen Renten. Die neue Bewegung bringt Hunderttausende Franzosen auf die Strasse – manche Gruppierungen versuchen, dies für ihre eigenen Zwecke zu nutzen und stellen unzählige, teils sogar gegensätzliche Forderungen. Steuersenkungen zum Beispiel, aber auch mehr öffentliche Leistungen.

Macron wird nicht kuschen

Der Aufstand könnte den als kühl empfundenen Macron bedrohen. Steuerrevolten waren schon immer gefährlich – wenn ein grosser Teil der Bevölkerung nicht mehr daran glaubte, dass die Zahlungen an den Staat einen Nutzen für alle haben, bedeutete das oft Unheil.
Neuste Umfragen zeigen: Die Parole «Vive la Révolution» ist aktuell. Die Unterstützung für die Gilets Jaunes wächst, mittlerweile stehen 84 Prozent der Franzosen hinter ihnen. Zwar hat Macron diese Woche versucht, die Bevölkerung zu beruhigen. Gelungen ist es ihm nicht.

Ob die Bewegung als zweite französische Revolution in die Geschichtsbücher eingehen wird, ist offen. Klar ist: Die Franzosen haben ihren König immer im Blick. Und ab und zu entmachten sie ihn. Macron wird nicht kuschen. Ob ihn das demnächst die Krone kostet?

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