Kein Hassprediger muss Jugendliche in seine Moschee locken, um sie zu erreichen. Stattdessen setzen Islamisten weiterhin auf soziale Medien und ködern Kinder und Jugendliche mit «lebensnahen Angeboten». Das schreibt die deutsche Familienministerin Franziska Giffey (SPD) im Vorwort des «Lagebericht Islamismus im Netz 2018», der am Dienstag vorgestellt wurde.
Die Islamisten wissen genau, wie sie Jugendliche erreichen. Auf Facebook, Instagram und Youtube gestalten sie ihre Hassbotschaften möglichst «cool».
Die Gefährdung habe sich kaum verringert, sagt «jugendschutz.net»-Leiter Stefan Glaser laut «Bild». Die religiösen Fundamentalisten zielen auf eine emotionale Reaktion der Jungen: Was bewegt, wird geteilt und gelikt.
Mit Özil-Zitat docken Islamisten an Jugendliche an
Die Propaganda knüpft laut dem Bericht an die Seh- und Mediengewohnheiten der Jugendlichen an. Auch wenn Jugendliche vorher keine Berührung mit der Islamisten-Szene hatten, erreichen sie die Botschaften.
Die «Bild» hat drei Beispiele aus dem Bericht zusammengefasst:
1. Özil-Kampagne: Mit einem Knall trat der türkischstämmige Fussballer Mesut Özil vergangenen Juli aus der deutschen Nationalmannschaft zurück. «Ich bin Deutscher, wenn wir gewinnen, und ein Immigrant, wenn wir verlieren», schrieb er in seiner Erklärung. Das Zitat verwenden Islamisten zum Beispiel prominent auf der Instagram-Seite «Generation Islam». Laut dem Berichts wollen Islamisten so an Diskriminierungserfahrungen muslimischer Jugendlicher «andocken».
2. Kopftuchdebatte: Die Islamisten streuten Gerüchte über ein drohendes Kopftuchverbot in Deutschland. Unter dem Hashtag #NichtOhneMeinKopftuch machten sie Stimmung auf Twitter.
3. Islam und Sport-Helden: Nach dem Mixed-Martial-Arts-Grossevent zwischen Conor McGregor und Chabib Nurmagomedow im Oktober 2018 refereierte ein salafistischer Prediger auf Youtube darüber, wie der muslimische Glaube Nurmagomedow angeblich zum Sieg verhalf. Mit Erfolg: Das Video erreichte rund 50'000 Aufrufe.
4. Verschwörungstheorien: Nach dem islamistischen Anschlag in Strassburg am 11. Dezember 2018 nutzten islamistische Akteure den Vorfall, um Verschwörungstheorien zu verbreiten. Unter anderem behaupteten sie: Das Attentat sei eine «Inszenierung» gewesen, um von den Gelbwesten-Protesten in Frankreich abzulenken und den Islam in ein schlechtes Licht zu rücken.
Familienministerin will Kinder nicht überwachen lassen
Die deutsche Familienministerin zieht aus dem Bericht bereits Konsequenzen. Noch in diesem Jahr will sie das Jugendschutzgesetz reformieren, gab sie bekannt. Sichere Voreinstellungen in Online-Chats, leicht zugängliche Melde- und Hilfesysteme sowie klare Alterskennzeichnungen sollen die Verbreitung von Hass im Netz verhindern. Zudem sollen Lehrer und Sozialarbeiter die Symbolik des radikalen Islamismus kennen, um Probleme frühzeitig zu erkennen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer plant derzeit eine Gesetzesänderung, die die Überwachung von Kindern unter 14 Jahren durch den Verfassungsschutz ermöglichen würde. Dagegen sprach sich die Familienministerin energisch aus.
Jedes Kind, das sich zum Beispiel in einem islamistischen Umfeld bewege, sei zunächst selbst in Gefahr, sagte Franziska Giffey laut «Bild». Es müsse das oberste Ziel des Staates sein, das Kind aus dieser Situation herauszuholen. Der Fokus staatlicher Überwachung müsse sich auf diejenigen richten, die Kinder und Jugendliche beeinflussen. (kin)