Professor fordert «Dexit» statt Grexit
Deutsche - nicht Griechen - sollen Euro aufgeben!

«Dexit» statt Grexit: Der Basler Wirtschaftsprofessor Rolf Weder plädiert für den Austritt Deutschlands aus dem Euro. So lasse sich die Währungsunion retten.
Publiziert: 19.07.2015 um 16:41 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:14 Uhr
Merkel und Schäuble als Kannibalen: So sieht der preisgekrönte deutsche Karikaturist Klaus Stuttmann die Eurokrise.
Foto: Klaus Stuttmann
Von Guido Schätti

Endlich: Nach drei Wochen ohne Schalterbetrieb öffnen die griechischen Banken morgen wieder. Die Sparer dürfen zwar weiterhin nur Kleinbeträge abheben. Auch rigide Kapitalverkehrskontrollen bleiben in Kraft. Dennoch: Der Stillstand ist überwunden, der Grexit fürs Erste abgewendet.

Die EU schickt als Soforthilfe 7,2 Milliarden Euro nach Griechenland. So kann Ministerpräsident Alexis Tsipras (40) die überfälligen Raten beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) begleichen. Gleichzeitig setzt er erste Reformen um: Die Mehrwertsteuer geht rauf, ebenso das Rentenalter.

Als Belohnung winkt Griechenland ein weiteres Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro. 2010 und 2012 erhielt das Land bereits 237 Milliarden. Zählt man die drei Programme zusammen, machen die Hilfsgelder 177 Prozent des griechischen Bruttoinlandprodukts (BIP) aus.

Hilfe verpufft

Reicht das für die Wende? «Ich bin skeptisch», sagt der Basler Wirtschaftsprofessor Rolf Weder (55). Selbst wenn die Griechen alle Kritiker Lügen strafen und ihre marode Verwaltung in Rekordzeit umkrempeln, sei die Misere nicht ausgestanden. «Die Schuldenlast ist zu hoch», so Weder.

Mit dem neuen Hilfspaket steigt die Verschuldung auf mehr als 400 Milliarden Euro an. Um diesen Berg abzutragen, sind die Griechen auf Generationen hinaus zu Sisyphusarbeit verdammt. Laut dem französischen Starökonomen Thomas Piketty (44) müssten sie 40 Jahre lang jährlich vier Prozent des BIP abstottern, bis ein halbwegs akzeptables Niveau erreicht wäre.

Selbst der Internationale Währungsfonds ist mittlerweile zur Einsicht gelangt, dass dies kein gangbarer Weg ist. Doch gegen einen vom IWF vorgeschlagenen Schuldenschnitt stemmen sich die Deutschen mit Händen und Füssen. Dies wäre ein Bruch der EU-Nichtbeistands-Klausel und das definitive Eingeständnis, dass die Währungsunion nicht funktioniert. Zudem bangt Deutschland um seine griechischen Guthaben von mehr als 100 Milliarden Euro.

«Grundproblem der Eurozone ist nicht gelöst»

Auf Dauer könnten Deutschland und die übrige EU die Augen vor der Realität nicht verschliessen, sagt Weder. «Das Grundproblem der Eurozone ist nicht gelöst. Was wir heute sehen, ist erst ein Vorgeschmack.» Laut Weder sind Länder wie Italien und sogar Frankreich in einem Masse verschuldet, das auf Dauer untragbar ist. «Weil Abwertungen in der Währungsunion nicht möglich sind, bleiben die Ungleichgewichte bestehen», sagt er.

Um die Zeitbombe zu entschärfen, fordern viele Experten den Umbau der EU zu einer politischen Union. Durch eine gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik würden die Überschüsse im Norden in den Süden transferiert. Dadurch käme ein Ausgleich zustande.

Weder hält dies für den falschen Weg. Seiner Meinung nach würden dadurch Vielfalt und Dynamik Europas zerstört. Zudem fehle der politische Wille für eine derart weitreichende Integration. Er fordert deshalb eine radikale Umkehr: «Wenn man Europa retten will, wäre die Aufhebung der Währungsunion ein Fortschritt.» Dann würden die Ungleichgewichte wieder über das Auf und Ab der nationalen Währungen geregelt. Der gemeinsame Markt und der freie Austausch von Personen, Kapital und Gütern könnten trotzdem bestehen bleiben, sagt Weder.

Entweder Deutschland oder Griechenland

Konkret sieht er zwei Möglichkeiten: Entweder treten die Griechen aus dem Euro aus – oder die Deutschen. Der Grexit hätte den Nachteil, dass die Kluft zwischen dem Schwergewicht Deutschland und den übrigen Ländern bestehen bliebe. Den «Dexit» hält Weder für die bessere Alternative, weil die verbleibenden Länder homogener wären. «Mit einem Austritt», so Weder, «würde Deutschland der Eurozone langfristig einen guten Dienst erweisen.»

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