Wenn etwas nicht zusammen funktioniert, dann ist es Homosexualität und die katholische Kirche. Das weiss die Schweiz spätestens seit dem Wirbel um den Churer Bischof Vitus Huonder wieder. Dieser hatte während eines Vortrags in Deutschland darauf aufmerksam gemacht, dass das Alte Testament vorsehe, schwule «Gräueltaten» mit dem Tod zu bestrafen.
Aber wenn sich etwas nicht an Regeln hält, dann ist es die Liebe. Das wissen die Katholiken spätestens seit Krzysztof Charamsa (43) wieder. Der ranghohe Mitarbeiter des Vatikan hat sich heute öffentlich zu seiner Homosexualität bekannt – und zu seinem langjährigen Partner Edouard.
«Ich will, dass die Kirche und meine Gemeinde wissen, wer ich bin: ein schwuler Priester, der glücklich und stolz auf seine eigene Identität ist», sagt Charamsa im Interview mit der italienischen Zeitung «Corriere delle Sera». Er sei bereit, die Konsequenzen für sein Geständnis zu tragen.
«Es ist an der Zeit, dass die Kirche die Augen öffnet und begreift, dass es unmenschlich ist, homosexuellen Gläubigen völlige Abstinenz vom Liebesleben abzuverlangen.» Nach der katholischen Lehre ist nicht die gleichgeschlechtliche Veranlagung eine Sünde, sondern die praktizierte Homosexualität.
Klerus ist «homosexuell» und «homophob»
Der Zeitpunkt des Coming-outs könnte nicht symbolträchtiger sein. Ab morgen beraten im Vatikan über 270 Bischöfe über Fragen zu Familie, Ehe und Liebe. «Es soll ein Appell an die Synode sein, ihr paranoides Handeln gegenüber sexuellen Minderheiten aufzugeben», sagte Charamsa der polnischen Ausgabe von «Newsweek». Der Klerus sei «überwiegend homosexuell und traurigerweise auch homophob bis zur Paranoia, weil es an Akzeptanz der eigenen sexuellen Orientierung mangelt».
Er habe sich entschieden, zu seiner Homosexualität und zu seiner Liebe zu Edouard zu stehen, weil er «so nicht mehr weitermachen konnte».
Priester-Status steht auf der Kippe
Die Reaktion des erzürnten Vatikans folgte postwendend. Charamsa werde «gewiss nicht in der Lage sein, seine bisherige Arbeit fortzusetzen», teilte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi umgehend mit. Er könne weder weiter im Vatikan noch an den päpstlichen Universitäten tätig sein. Über seine berufliche Zukunft als Priester wird der zuständige Bischof entscheiden.
Schon gestern musste sich der Vatikan zum Thema der Homosexualität äussern. Papst Franziskus hatte während seiner Amerika-Reise ein schwules Paar herzlich umarmt. Rom teilte danach mit, der Papst habe damit kein kirchenpolitisches Signal senden wollen. (lex)