Präsidialer Fussballfan hofft auf Beliebtheitsschub
François Hollande braucht den Sieg am dringendsten

Frankreichs Präsident François Hollande hofft auf eine Popularitätschub – wenn seine Nationalmannschaft heute die EM gewinnt.
Publiziert: 10.07.2016 um 15:34 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 21:25 Uhr
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François Hollande beim Viertelfinal-Spiel zwischen Frankreich und Island im Stade de France, Paris.
Foto: imago stock&people
Christian Maurer

Keiner braucht einen Sieg Frankreichs heute im EM-Final so dringend wie Präsident François Hollande (61). Nicht nur weil er ein grosser Fussball-Fan ist und als Junior selber beim FC Rouen spielte, sondern weil er sich einen Popularitätsschub für seine Wiederwahl in einem knappen Jahr erhofft, wenn das Land in einen kollektiven Siegestaumel fällt.

Hollande ist der unbeliebteste Präsident aller Zeiten. Laut jüngsten Umfragen sind noch 16 Prozent zufrieden mit ihm, 82 Prozent möchten nicht, dass er 2017 für eine zweite Amtszeit kandidiert. Gleichzeitig versinkt das Land in allgemeiner Tristesse – Streiks und Demonstrationen ohne Ende gegen das Arbeitsgesetz und Terrorangst trüben die Stimmung.

Hollande braucht «gute Laune»

Ein EM-Sieg , soll Hollande wiederholt im privaten Kreis, «würde das Land in gute Laune versetzen». Der EM-Titel soll das Land verzaubern und mit Stolz erfüllen. Und für ihn selber soll etwas von der guten Stimmung abfallen. Wie 1998, als Frankreich Fussball-Weltmeister wurde – und die Popularitätswerte von Hollandes Vorvorgänger Jacques Chirac über Nacht um 15 Prozentpunkte stiegen und das Bruttoinlandprodukt um sechs Prozent im folgenden Quartal.

«Frankreich ist froh, wenn endlich wieder einmal etwas gut läuft», kommentierte die Psychologin Hélène Romano im Radio Europe 1 die positive Wirkung der EM auf das Volk. Ein EM-Sieg könne tatsächlich ein Auslöser sein, der die Stimmung im Lande anhebt, sagt der Politologe Bruno Jeanbart der Agentur AFP. Dass Hollande persönlich davon profitieren könnte, glaubt er indessen nicht.

Hollande hofft auf den Chirac-Effekt

Den Chirac-Effekt hält er für einmalig. «Chirac war schon populär, und der Wirtschaft gings sehr viel besser als heute.» Der Sporthistoriker Paul Dietschy bezweifelt die nachhaltige politische Wirkung eines EM-Titels: «Die Franzosen können sehr wohl unterscheiden zwischen einem vergänglichen Sieg und ihrem Anspruch an einen Präsidenten, der die wirklichen Probleme des Landes lösen soll.»

Die politisch spürbare Euphorie nach dem WM-Final von 1998 kam für Chirac aus heiterem Himmel. Heute wird sie von Hollande herbeigesehnt. Das kommt bei den Bürgern schlecht an, wie User-Kommentare bei grossen Zeitungen zeigen. Und noch etwas ist anders als 1998: Der Sieg von Frankreichs multikultureller Nationalmannschaft galt auch als Sieg der multikulturellen Gesellschaft. Der war allerdings so vergänglich wie der EM-Titel, was sich bei den blutigen Rassenunruhen der folgenden Jahre in den Banlieues zeigte.

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