«Greta muss jetzt endlich Verantwortung übernehmen»
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PR-Profi entdeckte Klima-Ikone:«Greta muss jetzt endlich Verantwortung übernehmen»

PR-Profi Ingmar Rentzhog entdeckte die Klima-Ikone
«Greta muss jetzt endlich Verantwortung übernehmen»

Sein Foto machte Greta Thunberg bekannt. Der Unternehmer Ingmar Rentzhog über seine erste Begegnung mit der Klima-Ikone, Kapitalismus und Klimaschutz.
Publiziert: 08.12.2021 um 11:24 Uhr
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Gute Beziehung zu Greta: Der Schwede Ingmar Rentzhog in Zürich.
Foto: STEFAN BOHRER
Interview: Fabienne Kinzelmann

«Greta ist ein Talent, und ich bin gut darin, Talente zu finden», sagt Ingmar Rentzhog (42) selbstbewusst. Er machte das erste Foto von der Schwedin vor dem Parlament in Stockholm. Blick traf den Greta-Entdecker in Zürich bei der Noah Conference, wo sich nachhaltige Firmen austauschen.

Wäre Greta ohne Sie so berühmt, wie sie es heute ist?
Ingmar Rentzhog: Sie wäre auf jeden Fall auch bekannt geworden, aber vielleicht nicht so schnell und nicht ganz so gross.

Sie haben Greta wichtigen Leuten und Organisationen vorgestellt und dafür gesorgt, dass sie zum Klimagipfel in Kattowitz (Polen) eingeladen wird. Warum ausgerechnet sie?
Die Zeit war reif, um die Klimakrise zu personalisieren. Wir haben schon vorher Aktivistinnen und Aktivisten auf unserer Plattform gezeigt. Aber niemanden, der oder die so echt war und so leidenschaftlich darin, unsere Botschaft auszudrücken. Greta war so speziell, weil sie nicht zu einer Organisation gehörte, keine Gruppe hatte, sondern allein agierte.

Wie haben Sie Greta kennengelernt?
Jemand aus der Klimabewegung in Schweden hat mir den Tipp gegeben, dass es einen Schulstreik fürs Klima geben wird. Ich fand das eine interessante Idee und bin dann auf meinem Arbeitsweg mit einem Fotografen am schwedischen Parlament vorbei. Ich hatte eine kleine Gruppe Kinder erwartet, die ein paar Parolen rufen. Stattdessen sass da nur Greta mit ihrem Schild. Ganz allein, als würde sie das ganze Gewicht der Welt auf ihren Schultern tragen. Die Leute sind an ihr vorbeigegangen, als wäre sie eine Bettlerin. Das hat mich bewegt.

Wenn Sie den Tipp bekommen haben – warum sass Greta da allein?
Das weiss ich nicht. Ich glaube aber, weil ihre Aktion so ungewöhnlich war. Selbst Organisationen behagte es anfangs wohl nicht, dass ein Kind die Schule fürs Klima schwänzt.

Und dann?
Ich habe mit Greta gesprochen, das wurde sehr emotional. In einem Moment haben wir beide fast geweint. Ich wollte, dass sie etwas in meine Kamera sagt – auf Englisch, weil wir eine internationale Organisation sind. Wenn du die Welt verändern willst, bringt dich Schwedisch nicht weiter. Sie sagte dann so was wie: «Die Politiker geben einen Scheiss auf unsere Zukunft, und sie lassen uns kleine Kinder allein.» Mir war sofort klar, wie talentiert sie ist.

Also haben Sie beschlossen, Greta berühmt zu machen?
Eigentlich wollte ich nur das Video von ihr auf unsere Plattform hochladen. Wir dachten, der Streik könnte zum Vorbild für andere in der Klimabewegung werden. Aber ich bekam dieses Bild von diesem einsamen Mädchen einfach nicht aus dem Kopf. Also schrieb ich noch einen persönlichen Post auf Facebook, in dem ich jede und jeden aufforderte, sie zu unterstützen. Der Post ging viral. Plötzlich kontaktierten mich Leute und Journalisten aus der ganzen Welt und fragten, wo Greta zu finden sei. Es dauerte nur ein paar Tage und dann sassen auch andere Kinder bei ihr. Teilweise mit ihren Lehrern.

Das war quasi die Geburtsstunde von «Fridays for Future».
Es war sicher der Startpunkt, auch wenn die Bewegung erst ein paar Monate später gegründet wurde.

Greta war kurz Beirätin in Ihrer Firma «We don't have time». Wie ist Ihre Beziehung zu Greta heute?
Wir sprechen ab und an miteinander, aber es ist jetzt länger her, dass ich von ihr gehört habe. Wir sind einfach beide sehr beschäftigt.

Und der Kontaktabbruch hat nichts damit zu tun, dass Sie mit ihr Geld verdient haben und sie nicht mehr Teil Ihrer Organisation sein wollte?
Sie wurde grösser als wir und wollte unabhängig sein, was ich verstehe. Das macht ihren Erfolg aus. Wir haben aber eine gute Beziehung, und ich habe sie auch nie «gesteuert», wie das Verschwörungsgläubige im Internet behaupten.

Sind Sie mit Gretas Entwicklung zufrieden?
Sie hat einen unglaublichen Job gemacht, das Klima-Thema voranzutreiben und der Welt wirklich vor Augen zu führen, dass wir ein Problem haben. Und dass wir nicht mehr lange Zeit haben, um es zu lösen. Sonst gäbe es wohl nicht mal Konferenzen wie diese, auf der mehr als 250 Firmen ihre Nachhaltigkeitsideen präsentieren. Greta hat die Entwicklung bestimmt um fünf oder zehn Jahre beschleunigt. Aber wenn sie es nicht gewesen wäre, wäre es vielleicht jemand anders gewesen. Jetzt, da die Klimakrise die Aufmerksamkeit hat, müssen wir schauen, dass wir uns auf die Lösungen konzentrieren.

Welche Rolle sollte Greta dabei spielen?
Sie ist jetzt 18 Jahre alt, erwachsen. Es ist super, wenn sie die Mächtigen angreift, aber ich fände es besser, wenn sie jetzt selbst in die Politik geht. Es wird Zeit für sie, nicht mehr nur die Führungselite zu kritisieren, sondern selbst Verantwortung zu übernehmen. Sie könnte eine grossartige Politikerin werden.

Wofür soll sie denn kandidieren – als Ministerpräsidentin von Schweden?
Warum nicht? Eher sogar noch grösser, internationaler. Die schwedische Ministerpräsidentin hat ein wichtiges Amt, aber sie wird die Welt nicht verändern.

Sie unterscheiden sich in einer Sache fundamental von Greta und ihrer Bewegung: Sie sind der Überzeugung, dass Kapitalismus und Klimaschutz zusammenpassen.
Geld kontrolliert die Welt und Menschen. Ob man das nun mag oder nicht. Die meisten Menschen werden zum Beispiel immer zur günstigeren Alternative greifen – egal, was das für die Umwelt bedeutet. Und für Firmen ist es kurzfristig profitabel, den Planeten zu zerstören. Aber wir könnten die Regeln in diesem kapitalistischen System auch ändern. Allein seit dem Klima-Gipfel in Glasgow haben Regierungen fossile Energien mit 500 Milliarden subventioniert. Streichen wir die Subventionen für fossile Energien, werden grüne und alternative Technologien profitabel. Glaube ich, dass der Kapitalismus das Problem ist? Ja. Aber der einzige Weg, um die Klimakrise zu lösen, ist, dass wir die Rettung des Planeten profitabel machen – und seine Zerstörung superteuer.

Wie können sich Firmen und ganze Industrien ändern, deren ganzes Geschäftsmodell auf Kohle und Gas beruht?
Statt ihr Geld an Aktionäre auszuzahlen oder für Lobby-Arbeit auszugeben, könnten sie es in erneuerbare Energien investieren – und zwar alles. So was hat bei einer anderen Umweltkrise schon einmal geklappt: beim Ozonloch. Damals, 1987, sassen die Staaten- und Firmenlenker bis zum Morgen in Montreal zusammen und beschlossen, chlor- und bromhaltige Chemikalien, welche die Ozonschicht in der Stratosphäre zerstören, zu verbieten. Die Chemiemultis haben mitgemacht – weil sie verstanden haben, dass sie stattdessen andere Chemikalien verkaufen können. Wenn das nicht passiert wäre, würden wir heute Hautkrebs bekommen, sobald wir ungeschützt draussen rumlaufen.

Das heisst: Wenn wir die Unternehmen an Bord bekommen und innovativ genug sind, können wir weiter konsumieren wie bisher?
Nein, wir müssen unser Verhalten trotzdem noch ändern. Wir müssen weniger konsumieren – grüne Produkte allein werden es nicht richten. Nicht nur wegen der Emissionen, sondern auch, weil uns schlicht das Rohmaterial ausgeht und wir mit unserem Konsum neben dem Klima auch die Biodiversität bedrohen.

Wie soll das gehen?
Ich glaube, wir können auch mit weniger Konsum ein sehr gutes Leben haben. Ein Mentalitätswandel ist wichtig. Ein eigenes Auto und ein grosses Haus dürfen kein Statussymbol mehr sein. Wir müssen Secondhand und kleine Wohnflächen cool machen. Bei der Fleischindustrie klappt das schon ganz gut, weil Menschen verstehen, dass pflanzenbasierte Ernährung gesünder ist, sie länger leben und im Zweifelsfall auch noch besser aussehen. Und wer Fleisch einfach gern mag, kann es ja trotzdem noch ab und an essen.

Also keine Verbote?
Zwang funktioniert nicht. Ich zeige Menschen lieber, wie ich es zum Beispiel mache. Das ist viel inspirierender und genauso funktioniert auch das Geschäftsmodell unserer Plattform. Wer etwas Gutes fürs Klima macht – auch wenn es vielleicht nur eine einzelne Massnahme ist –, bekommt dafür quasi «Klima-Applaus». Jede und jeder wird gerne gelobt, weil sich das gut anfühlt. Man hat also idealerweise ein richtig gutes Gefühl, wenn man etwas an seinem klimaschädlichen Verhalten ändert.

Kaum jemand konsumiert mehr als die Schweizer, das überarbeitete CO2-Gesetz wurde abgelehnt. Wie steht die Schweiz aktuell da?
Als Versagerin. Wie fast jedes andere Land. Ein paar Sachen macht ihr grossartig. Als ich hier ankam, sind mir zum Beispiel zuerst die elektrischen Polizeiwagen aufgefallen. Es gibt viel Innovation. Aber die Emissionen gehen hoch, die Schweiz – wie auch Schweden oder die USA – agiert nicht als Vorbild, obwohl sie es könnte.

Was könnten wir besser machen?
Es braucht eine effektive CO2-Steuer. Man muss die Idee aber besser verkaufen: Mit ihr müssen mehr Menschen gewinnen als verlieren. Besteuert die Öl-Unternehmen, die grossen Industrien. Und gebt das Geld direkt weiter an die Menschen. Dann versteht jeder, wer bei den Geschäften bisher verliert.

Der Greta-Entdecker

Der Schwede Ingmar Rentzhog (42) war als Unternehmer lange in der Finanzindustrie und beriet etwa Blackrock, JP Morgan oder die UBS bei der Kommunikation mit Investoren. Die Trump-Wahl brachte die Wende. Seither kümmert er sich um «We don't have time» – eine Art soziales Netzwerk, in dem die User Klima-Massnahmen von Firmen oder Organisationen bewerten können. Firmen zahlen für ihren Auftritt eine Mitgliedsgebühr.

STEFAN BOHRER

Der Schwede Ingmar Rentzhog (42) war als Unternehmer lange in der Finanzindustrie und beriet etwa Blackrock, JP Morgan oder die UBS bei der Kommunikation mit Investoren. Die Trump-Wahl brachte die Wende. Seither kümmert er sich um «We don't have time» – eine Art soziales Netzwerk, in dem die User Klima-Massnahmen von Firmen oder Organisationen bewerten können. Firmen zahlen für ihren Auftritt eine Mitgliedsgebühr.

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