Am Dienstagnachmittag um 13.47 Uhr rennen die Menschen in Trier um ihr Leben. Ein SUV rast im Zickzack-Kurs durch die Fussgängerzone und steuert wahllos auf Passanten zu. Nur vier Minuten dauert die Amokfahrt, doch die Bilanz ist verheerend: Mindestens fünf Personen werden getötet. Das jüngste Opfer ist neuneinhalb Wochen altes Mädchen. Auch ein 45-jähriger Mann und drei Frauen (†25, †52, †73) sterben. Der Mann war der Vater des Babys.
Nach der tödlichen Amokfahrt mit dem Auto im Zentrum der westdeutschen Stadt kommt der dringend tatverdächtige Mann nun in Untersuchungshaft. Das teilte ein Polizeisprecher am Mittwoch mit. Wegen Hinweisen auf eine mögliche psychische Erkrankung war auch die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung infrage gekommen.
Haftbefehl wegen mehrfachen Mordes
Die Staatsanwaltschaft stuft die Tat als mehrfachen Mord, Mordversuch und gefährliche Körperverletzung ein. Weitere Menschen schweben noch in Lebensgefahr. Neben der Ehefrau und Mutter des Kindes sei zudem auch ein eineinhalb Jahre alter Sohn der Familie verletzt ins Krankenhaus gebracht worden, teilte die Polizei in Trier in der Nacht auf Mittwoch mit. Fünf Personen gelten als schwer-, sechs Personen als leichtverletzt.
Dutzende sind ob der Tat traumatisiert. Das teilen die Behörden in Trier mit, an diesem «schwersten Tag für die Stadt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs», wie es Oberbürgermeister Wolfram Leibe ausdrückte.
Der 51-jährige Amokfahrer wird kurz nach 14 Uhr festgenommen. Zuvor biegt er von der Konstantinstrasse in die Fussgängerzone ein, dann ins Stadtzentrum, bevor er weiter Richtung Hauptbahnhof fährt, wo die Polizei das Fahrzeug stehend vorfindet und den Täter überwältigt. Dieser ist Deutscher und stark alkoholisiert (1,4 Promille).
«Täter benutzte Fahrzeug als Waffe»
Der Täter wurde in Trier geboren und lebte in der Region. Das Motiv ist noch nicht bekannt. Ein terroristischer Anschlag steht nicht im Vordergrund. Experten untersuchen die Psyche des Mannes, noch stehen Ergebnisse aus. Er soll allein gehandelt haben und «wahllos» in die Menschen gefahren sein. «Er fuhr gezielt Zick-Zack-Linien», sagen die Behörden an einer Pressekonferenz.
Der Staatsanwalt sagt, die letzten Tage habe der Täter im Fahrzeug gelebt. Er wird wegen Tatverdachts des Mordes in fünf Fällen und schwerer Körperverletzung in mehreren Fällen angeklagt. «Der Täter handelte heimtückisch und benutzte das Fahrzeug als Waffe», sagte der Staatsanwalt an einer Pressekonferenz. Vorbestraft ist er gemäss bisherigen Informationen nicht. Gegen ihn wurde nun aber ein Haftbefehl wegen Mordes erlassen.
Die «Bild» beschreibt den Täter als Einzelgänger mit Alkoholproblemen, der im SUV lebte, mit dem er die Amokfahrt ausführte. Zudem soll er Ärger mit der Polizei gehabt haben – auf Facebook beschimpfte er Beamte und die Staatsanwaltschaft Tier. In den sozialen Medien postete er auch frauenfeindliche Bilder.
«Da steht ein Turnschuh … das Mädchen dazu ist tot»
Der Trierer Oberbürgermeister Wolfram Leibe ist kurz nach der Tat fassungslos. Er befindet sich wenige Augenblicke nach der Amokfahrt in der Stadt und sagt zu Journalisten: «Ich bin gerade durch die Innenstadt gelaufen, und es war einfach nur schrecklich. Es bot sich ein Anblick des Grauens. Da steht ein Turnschuh … das Mädchen dazu ist tot.» Die Zeitung «Volksfreund.de» berichtet zuvor, dass bei der Fahrt des Täters laut Augenzeugen am Hauptmarkt in Trier ein Kinderwagen durch die Luft flog. Wie die Polizei später bekannt gibt, liegt die Mutter des toten Babys im Spital.
Landesinnenminister Roger Lewentz sagt, dass Angehörige, Anwohner und auch die Rettungskräfte betreut werden. «Denn solche Bilder vergisst keiner». Die Polizei werde die ganze Nacht weiterarbeiten.
«Er hupte nicht, sondern gab nur Gas»
Eine Augenzeugin berichtet gegenüber «Focus»: «Ich sah unzählige Menschen zur Seite springen, auf der Strasse lagen über 30 Menschen, teilweise regungslos. Das Auto fuhr gefühlt mit 70 bis 80 Stundenkilometern. Der Fahrer hupte nicht, sondern gab nur Gas. Die Innenstadt war sehr gut besucht. Von hinten sah es aus wie ein SUV, es könnte ein Jeep gewesen sein.»
Andere Zeugen berichten, dass «Leute durch die Luft geflogen» sind.
Immer wieder Amokfahrten in Deutschland
Im Februar hatte im nordhessischen Volkmarsen ein 29 Jahre alter Deutscher sein Auto absichtlich in die Menge gesteuert. Dutzende Menschen wurden verletzt. 2019 hatte ein 50-Jähriger in Bottrop in der Neujahrsnacht gezielt Menschen angefahren. Er wurde in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. In Münster war 2018 ein Mann mit seinem Campingbus in eine Gruppe gerast, es gab fünf Tote. Der Täter erschoss sich, die Ermittler gehen von einer psychischen Erkrankung aus.