Es ist nicht mal so gross wie eine halbe Zigarette. Findet es jemand per Zufall, schenkt er dem zusammengefalteten und mit Kleberli umwickelten Papierchen wohl kaum Beachtung. Ein Stück Abfall, mehr nicht.
Doch für den dafür bestimmen Empfänger ist der Zettel mehr wert – viel mehr. Er findet darauf geheime Strategiepläne, Bündnispartner für illegale Geschäfte oder das Kommando für einen heimtückischen Mordanschlag.
Die Pizzini, die kleinen Zettelchen auf denen in winziger Schrift wichtige Interna stehen, braucht Matteo Messina Denaro (53), um mit seinen Schergen zu kommunizieren. Er ist der letzte grosse Pate der sizilianischen Cosa Nostra – der Mafia-Superboss gehört zu den meistgesuchten Verbrechern weltweit. Seit 1993 ist er wie vom Erdboden verschluckt, seine Befehle erteilt er aus einem Versteck, das auch die besten Ermittler nicht finden.
Codewort: Ricotta
Doch jetzt ist der italienischen Polizei ein Schlag gegen den Mafiaring gelungen, der die Schlinge um Messina Denaros Hals enger zuziehen könnte. In der Provinz Trapani gingen den Beamten elf Pizzini-Boten ins Netz, darunter auch der frühere Mafiaboss Vito Gondola (77).
Er soll einst Salvatore Toto Riinas rechte Hand gewesen sein. «La Belva» («die Bestie»), wie dieser von den italienischen Medien genannt wurde, fristet sein Dasein hinter dicken Steinmauern, er wurde zehnmal zu lebenslanger Haft verurteilt. Er zählt zu den bekanntesten Anführern der Cosa Nostra.
Jetzt wurde Gondola, der gemäss «Spiegel.de» seine Schafe liebte und für sie jeden Morgen um 4 Uhr aufstand, auf seinem eigenen Grund und Boden festgenommen. Die Polizei überwacht seinen Bauernhof bereits seit über vier Jahren und hat herausgefunden, dass die Pizzini dort unter Steinen versteckt wurden. Gondola informierte die jeweiligen Adressaten.
Der Code unter den Mafiosi: «Ich habe dir Ricotta beiseite gelegt, kannst du ihn später abholen?» oder «Die Schafe können jetzt geschoren werden».
Unauffällige Video-Aufnahmen
Die Aufnahmen der Polizei zeigen alte, rundliche Männer, die aus einem zerbeulten Auto steigen und sich zur Begrüssung küssen. Sie scheinen genau so wenig verdächtig wie die kleinen Papierchen, die sie auf dem Grundstück abholten.
Und doch dienen sie alle einem Boss, der damit prahlt, mit seinen Opfern einen ganzen Friedhof füllen zu können. (lex)