Politologe Klaus Armingeon zur Wahl in Österreich
«Das Resultat zeigt: Man muss die Ängste ernst nehmen»

Zwar ist der Grüne Alexander Van der Bellen zum neuen Bundespräsidenten Österreichs gewählt worden. Doch die rechte FPÖ verzeichnet mit fast gleich vielen Stimmen einen enormen Erfolg. Österreich ist gespalten. Klaus Armingeon (61), Lehrstuhl für Vergleichende Politik und Europapolitik an der Universität Bern, analysiert die Wahl.
Publiziert: 23.05.2016 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 21:10 Uhr
Klaus Armingeon zu den Wahlen in Österreich: «Die Bürger sind misstrauisch.»
Foto: Annette Boutellier
Guido Felder

Klaus Armingeon, was bedeutet dieses Resultat für Österreich?

Die Wahl bestätigt vor allem, was sich schon seit einiger Zeit abzeichnet: Die Bürger sind misstrauisch, sie haben die Bindung zu den traditionellen Parteien verloren, die beim ersten Wahlgang kläglich gescheitert sind. Der FPÖ ist es gelungen, die frei gewordenen Elemente im politischen System für sich zu gewinnen.

Wie wird sich das Land unter dem neuen Bundespräsidenten verändern?

Österreich wird sich kaum verändern. Es würde mich sehr erstaunen, wenn Alexander Van der Bellen nun die neu vereidigte, dynamische Regierung heimschicken würde. Diese hatte ja schon unter dem vor kurzem zurückgetretenen SPÖ-Kanzler Werner Faymann den Kurs geändert und Reformen versprochen. 

Österreich ist gespalten: Wird es Alexander Van der Bellen gelingen, den Graben zuzuschütten und die Pole wieder zu vereinen?

Das ist nicht seine Aufgabe. Es liegt viel mehr an den traditionellen Parteien, das Missbehagen in der Bevölkerung zu beseitigen und glaubhafte Alternativen zu bieten.

Was kann man denn vom neuen Bundespräsidenten erwarten?

Man darf dieses Amt nicht überschätzen. Bisher hat ein Bundespräsident noch nie seine Rechte voll ausgeschöpft. Ich zweifle sogar daran, dass Norbert Hofer die Regierung ausgewechselt hätte. Die innenpolitische Verwerfung wäre viel zu gross gewesen.

Die Amtsdauer des Bundespräsidenten beträgt sechs Jahre. Bis zu den nächsten Wahlen wird Alexander Van der Bellen also 78 Jahre alt sein. Ist das nicht zu alt für einen Politiker in einem so hohen Amt?

Sofern ein Politiker intellektuell flexibel bleibt, ist das Alter kein Hindernis. Im Gegenteil: Alter bringt zuweilen Erfahrung.

Viele bezeichnen die FPÖ als rechtsextrem. Immerhin hat die Hälfte aller Wähler diese Partei gewählt. Ist die FPÖ wirklich so böse?

Die FPÖ stemmt sich gegen die Classe Politique, gegen eine Öffnung des Landes, gegen Europa. Es ist eine Partei, die im Gut-oder-Schlecht-Schema denkt und kommuniziert. Sie ist keine rechtsextreme Partei, sondern eine rechtspopulistische.

Wie wird die Wahl die Arbeit in Brüssel verändern?

Für die EU hat sie keine direkten Auswirkungen, im EU-Rat wird weiterhin der Kanzler vertreten sein. Der hohe Anteil von Rechts-Stimmen hat aber Signalwirkung und unterstreicht eine Tendenz, die es auch in andern Ländern wie etwa Frankreich gibt.

Und in der Schweiz? Welche Bedeutung hat die Wahl für unser Land?

Eine sehr geringe. Die Wahl zeigt, was wir hier schon kennen: Man muss die Ängste der Bevölkerung wahr und vor allem ernst nehmen.

Hat das Österreich verpasst?

Bei Konkordanzdemokratien spielt sich oft einiges hinter verschlossenen Türen ab. Auch in Österreich ist das so. Das führt zu einem ungutem Gefühl in der Bevölkerung, zu Missverständnissen und Skandalen. Die Flüchtlingsproblematik hat dann der FPÖ noch mehr Oberwasser gegeben.

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