Am 8. Juli hätte der neue österreichische Bundespräsident Alexander van der Bellen sein Amt antreten sollen – doch daraus wird nun nichts.
Das Verfassungsgericht hat heute wegen Unregelmässigkeiten bei der Stichwahl vom 22. Mai, bei der van der Bellen nur rund 31'000 Stimmen mehr holte als sein Kontrahent Norbert Hofer von der FPÖ, eine Wiederholung der Wahl angeordnet.
«Schlamperei und Kameraderie»
Für Klaus Armingeon, Professor am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern, is das keine grosse Überraschung. Das Gericht habe 67 Zeugen angehört. Dabei sei immer mehr klar geworden, «dass Schlamperei und Kameraderie herrschte und man sich wurschtig an Regeln vorbeimogelte», sagt er.
Sicher ist: Mit dem Verdikt des Verfassungserichts hat die FPÖ, die das Verfahren überhaupt erst in Gang gesetzt hat, einen Erfolg erzielt. Die Rechtspopulisten erhalten so eine zweite Chance aufs Präsidentenamt.
«Grosses Misstrauen»
Die Wiederholung der Wahl findet voraussichtlich im Herbst statt. Und Österreich steht nun erneut ein polarisierender Wahlkampf bevor – und das verärgert zumindest Teile der Bevölkerung. Schliesslich herrscht in dem Land eh schon ein «grosses Misstrauen gegenüber Politikern», wie es Armingeon ausdrückt. «Viel mehr als in der Schweiz.»
«Die nun zu Tage geförderten Schlampereien bei der Präsidentenwahl werden das Vertrauen in das politische System wahrscheinlich noch mehr abschmelzen lassen», sagt der Politikwissenschaftler.
Van der Bellens Wahlkampfmanager ist siegessicher
Die Kandidaten haben sich dennoch bereits in Stellung gebracht. Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl sagte, man werde wieder eine «grosse, österreichweite Bürgerwahlbewegung auf die Beine stellen» und «ein zweites Mal gewinnen».
Etwas zurückhaltender zeigte sich FPÖ-Mann Hofer. Er sagte lediglich, er gehe von einem «kurzen knackigen Wahlkampf aus» auf den er richtig Lust verspüre.
Steilvorlage für die FPÖ, aber...
Wer von den beiden Politikern bei der Wahl im Herbst schliesslich die Nase vorn haben wird, hänge vor allem davon ab, wie sich die Parteien jetzt positionierten, sagt Armingeon. Der heutige Entscheid des Gerichts sei zunächst zwar «eine Steilvorlage für die rechtspopulistische FPÖ», die die Kritik an der ‹classe politique› zu einem wichtigen Programmpunkt gemacht habe.
«Man kann aber auch sehen, dass das Gerichtsverfahren gezeigt hat, dass auch die Wahlbeobachter der FPÖ schlampig gearbeitet und Protokolle blind unterzeichnet haben.»