In Mittel- und Osteuropa ist vieles nicht mehr so, wie es noch vor kurzem war. Zum einen sucht Polens nationalkonservative Regierung die volle Konfrontation mit der Europäischen Union. Das Verfassungsgericht in Warschau hat entschieden, dass EU-Recht teilweise polnischem Recht widerspreche.
Eine innen- wie aussenpolitische Eskalation ist kaum mehr abzuwenden: Die EU kann diese Haltung nicht länger akzeptieren.
Noch bedeutsamer aber ist: In Polen selbst hat der Entscheid enorme Wellen ausgelöst. Allein in Warschau gingen mehr als 100'000 Menschen auf die Strasse, um für den Verbleib Polens in der Union zu demonstrieren. In Dutzenden Städten des Landes gab es ebenfalls Grossdemonstrationen. Wortführer war kein Geringerer als der führende Oppositionspolitiker Donald Tusk, einst Präsident des Europäischen Rates. Für die EU ist auch das ein starkes Signal aus dem Osten.
In Tschechien hat derweil der populistisch agierende und zutiefst EU-kritische Premierminister Andrej Babis – was hierzulande kaum wahrgenommen wurde – überraschend die Wahlen verloren. Er bangt nun um seinen Posten als Premierminister. Nach den Enthüllungen durch die Pandora Papers über seine ausländischen Tarnfirmen, nach Vorwürfen von Korruption und mutmasslicher Steuerhinterziehung unter Druck, konnte Babis bei den tschechischen Wählerinnen und Wählern mit seinem harten Anti- Europa-Kurs nicht mehr punkten.
Nach der Wahlniederlage dauerte es nicht lange und Babis äusserte Zweifel an der Auszählung – ganz in der Manier von Donald Trump. Und wie bei Trump wurde schnell klar: Am Ergebnis ist nicht zu rütteln. Inzwischen signalisierte Babis, er werde auf das Amt verzichten.
Wie in Polen ist auch hier augenfällig: Eine allzu nationalistische Rhetorik gegen aussen rächt sich über kurz oder lang im Innern.
Deutlich weniger EU- kritisch, aber ebenfalls mit Vorwürfen von Korruption und Amtsmissbrauch konfrontiert, musste Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz vor einer Woche zurücktreten. Nicht zum ersten Mal wird unser östliches Nachbarland von einem Politskandal erschüttert.
Die Politik des ÖVP-Vorsitzenden Kurz ist inhaltlich nicht mit der von Tschechien oder Polen zu vergleichen. Und doch passen die Ereignisse in Wien mit denen in Prag und Warschau ins Bild. Sie stehen für einen Wandel in der Politik Europas: Konnten sich Populisten in Osteuropa, aber auch knallharte Machtpolitiker wie Kurz bisher auch mit unlauteren oder undemokratischen Positionen über Wasser halten, setzen ihnen nun die demokratischen Institutionen, die Medien und die Wahlbevölkerung Grenzen. Dieser Wandel mag derzeit noch beinahe unmerklich daherkommen, doch er macht Hoffnung.