Italien brennt. Nach Neapel und Rom folgen Mailand und Turin. Aber auch in Triest, Cremona, Lecce, Verona, Florenz, Viareggio, Treviso, Perugia, Cosenza, Ferrara, Salerno, Palermo und in Siracusa auf Sizilien kommt es auf Plätzen und Strassen zu gewaltsamen Ausschreitungen. Hundertschaften von meist jungen Leuten zünden Molotow-Cocktails, Petarden, schleudern Pflastersteine und Rauchbomben. Die Einsatzkräfte der Polizei erwidern die Gewalt mit Tränengas.
Es kommt zu Plünderungen von Modegeschäften, zu Zerstörungen von geschlossenen Lokalen, zu Verletzten und zu Dutzenden von Verhaftungen. Im Schulterschluss mit gewaltbereiten Ultras, Rechtsradikalen, Mitgliedern der Mafia und Linken des sogenannten Schwarzen Blocks marschieren Pizzbäcker, Fitnessstudio-Betreiber, Restaurantbesitzer und Kleinunternehmer. Die Wut ist gross. Sie richtet sich gegen Giuseppe Conte (56) und seine Corona-Politik.
Mini-Lockdown bedeutet für viele das existenzielle Aus
Angesicht der explodierenden Neuinfektionen und der schon heute dramatischen Lage in vielen Spitälern, hatte Italiens Premier am Montag den neuen Massnahmenkatalog verabschiedet. Dieser sieht landesweit nächtliche Ausgangssperren vor. Die Gastronomie muss um Punkt 18 Uhr schliessen, Amateursport und Veranstaltungen sind untersagt, Kinos und Theater bleiben zu. Für viele der Branche bedeutet der Mini-Lockdown das existenzielle Aus.
«Freiheit, Freiheit», skandieren die Demonstranten in Sprechchören. Sie fordern mehr wirtschaftliche Unterstützung, ein Grundeinkommen für die Gesundheit. «Die Reichen sollen die Krise zahlen», so weiter im Tenor der Proteste.
Premier verspricht schnelle finanzielle Hilfe
Conte ist unter Druck und verspricht unterdessen Entschädigungen bis zum 15. November. So sollten Diskotheken beispielsweise 400 Prozent ihrer Ausfälle, Bars, Restaurants, Sport-Betriebe, Event-Unternehmen, Kinos und Theater 200 Prozent, touristische Betriebe 150 Prozent, Eisdielen und Bäckereien 100 Prozent ihres Schadens erhalten.
Noch während Conte versucht, die Wogen zu glätten, kommen neue radikale Forderungen aus dem Gesundheitssystem. Über 17'000 neue Fälle und 141 Tote verzeichnet die Tagesstatik gestern. Guido Bertolini, Virologe und Koordinator der lombardischen Notaufnahmen, mahnt: «Wir stehen vor dem Kollaps. Wir brauchen einen landesweiten Lockdown. Und zwar sofort!»