Kranke Kühe, blinde Katzen, angeschlagene Hühner und kranke Farmangestellte — so lautet die Bilanz auf vielen amerikanischen Farmen. Ursache ist das ursprünglich aus China stammende H5N1-Vogelvirus. Vor allem befällt das Virus momentan Milchkühe und lagert sich in deren Milcherträgen. Das heisst: Teilweise wurde das Virus in Supermarkt-Produkten gefunden.
Der Chef-Virologe der Berliner Charité, Christian Drosten (52), sieht eine mögliche neue Pandemie aufziehen. «So etwas hat es vorher noch nicht gegeben, solche extrem grossen Ausbrüche bei Kühen – alle Fachleute sind besorgt», so Drosten zum «Redaktionsnetzwerk Deutschland».
Virus überwindet Artengrenzen
Das Virus tauchte das erste Mal 1997 in Hongkong bei einem Menschen auf. Ein Kind hatte sich bei einem infizierten Huhn angesteckt, wie die deutsche Zeitung «Spiegel» berichtet. Der Junge litt an Halsschmerzen und Fieber. Anschliessend kam es zum Organversagen und Tod. Um eine Ausbreitung zu verhindern, ordnete die chinesische Regierung damals an, alle 1,5 Millionen Hühner rund um die Stadt sofort zu töten. Ebenso Gänse, Tauben, Enten und Wachteln.
Das Vorgehen zur Eindämmung war radikal, aber erfolgreich. Erst 2003 wurden wieder erste Fälle in China registriert. Damals verbreitete es sich rasant und infizierte vor allem Vögel, aber auch Menschen. Fast 900 Patienten waren betroffen. Davon starben 463 Personen, wie der «Spiegel» berichtet.
Im Jahr 2020 veränderte sich das Virus erneut und setzte sich nun aggressiver in Wildvögeln fest. Millionen von Tieren starben. Schon bald griff das Virus auch auf andere Arten über: Bären, Füchse, Stinktiere sowie Seelöwen und See-Elefanten in Südamerika.
132 Rinderherden infiziert
Nun hat das H5N1-Virus eine neue Tierart befallen. Im März waren die ersten Rückstände in texanischer Kuhmilch nachgewiesen worden. Rund 132 amerikanische Rinderherden sind derzeit infiziert, verteilt auf zwölf Bundesstaaten.
Während Rinder die Infektion meist gut überstehen, wütet das Virus bei anderen Tierarten schlimmer. Katzen, die von der Rohmilch der infizierten Kühe getrunken hatten, sollen blind und apathisch geworden sein, ihre Hirne und Blutgefässe erlitten «grossflächige Schäden» bevor sie starben, wie der «Spiegel» berichtet.
In der Schweiz in diesem Jahr keine Fälle
Bisher sind drei Farmmitarbeiter bekannt, die sich auf US-Farmen bei Kühen abgesteckt haben. Zwei Mitarbeiter litten an einer Bindehautentzündung, der dritte klagte über Halsschmerzen und Husten. Bisher ist noch nicht klar, ob das Virus auch von Mensch zu Mensch übertragbar ist.
Wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) auf Anfrage von Blick bestätigt, gibt es 2024 keine Fälle der Vogelgrippe in der Schweiz oder in Europa. Dass hierzulande ähnliche Zustände wie in Amerika herrschen, schätzt das BLV als sehr gering ein. Auch dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind keine Infektionen bei Menschen bekannt und bestätigt. Sobald es Anhaltspunkte für eine Infizierung gibt, wie ein enger Kontakt mit erkranktem Geflügel, können Personen auf das Vogelgrippevirus getestet werden.