Auch drei Tage nach dem Besuch von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (62) und Ratschef Charles Michel (45) bei Türkeis Staatspräsident Recep Erdogan (67) bewegt das Sofagate die EU. «Diktator», schimpfte gar Italiens Ministerpräsident Mario Draghi (73) den türkischen Staatschef.
EU-Ratspräsident Michel, der die Erniedrigung von EU-Chefin von der Leyen zugelassen hatte, rechtfertigte sich in einem Facebook-Post. Am Donnerstagabend sagte er dem belgischen Sender «LN24»: «Ich bedauere diese Situation zutiefst.»
Das Bild der Szene – Michel und Erdogan thronen auf Augenhöhe, Ursula von der Leyen sitzt wie ein Schulmädchen einige Meter entfernt auf dem Sofa – sei «katastrophal» und er wünsche sich, er habe anders gehandelt. Allerdings: Entschuldigt hat er sich bislang nicht.
Arbeitsessen hätte noch katastrophaler sein können
Laut türkischen Beamten sei die Sitzordnung mit Michels Team abgestimmt gewesen. «Im Protokoll wurden die Forderungen der EU erfüllt. Die Sitzordnung wurde auf Vorschlag der EU vereinbart», sagte auch der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu (53), der Ursula von der Leyen beim Sofagate gegenüber sass, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag.
Nun kommen immer mehr pikante Details des Vorfalls in Ankara ans Licht. Wie «Politico» berichtet, wurde nur knapp eine noch katastrophalere Szene abgewendet. Die ursprüngliche Sitzordnung für ein Arbeitsessen nach den Gesprächen der EU-Spitze mit dem türkischen Staatspräsidenten hätte Ursula von der Leyen zur blossen Gehilfin von Charles Michel herabgestuft.
Wer rettete die EU-Chefin?
Es habe nur zwei Stühle mit Rückenlehnen «ungefähr doppelt so hoch wie die der anderen» im Raum gegeben, zitiert «Politico» eine Quelle – einen für die Türkei, einen für die EU. Vor den «Chef-Stühlen» gab es eine türkische Fahne und eine EU-Fahne. Dazu kamen offenbar je vier normal grosse Stühle für jede Seite.
Michel wäre dann als Kopf der Delegation mit vier Beratern gesessen – eine davon Ursula von der Leyen, die keine ihrer Beraterinnen hätte mitbringen dürfen. Auf Erdogans Seite gab es ebenfalls vier Berater, allerdings kein passendes Gegenstück zu von der Leyen – nicht einmal den Aussenminister.
Ein schlauer EU-Delegierter intervenierte aber offenbar rechtzeitig: Fernando Andresen Guimaraes (56), der neue diplomatische Berater der EU-Chefin. Er forderte die türkische Seite auf, einen zusätzlichen Chef-Stuhl zu holen sowie einen normalen für sich selbst und platzierte die EU-Flagge zwischen den Sitzen der EU-Spitze. Die türkische Seite erfüllte die Wünsche offenbar ohne Widerstand.
EU-Parlament fordert Untersuchung
Michels Team wiederum behauptet, selbst für die «Rettung» der EU-Chefin beim Arbeitsessen verantwortlich zu sein. Nun verliert das Parlament die Geduld. Die EU-Abgeordneten wollen wissen, wer zu welchem Zeitpunkt von der problematischen Sitzordnung wusste.
Iratxe Garcia (46), Vorsitzende der Fraktion Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D) im EU-Parlament, unterstützt laut «Politico» die Forderung der EVP-Fraktion – der grössten Fraktion im EU-Parlament – nach einer Plenardebatte mit von der Leyen und Michel.
Das Parlament müsse «wissen, was passiert sei und wie die europäischen Institutionen respektiert werden». Besonders Michel dürfte mit unangenehmen Fragen rechnen. (kin)