Mit der Begnadigung seines inhaftierten Vorgängers Alberto Fujimori hat Perus Präsident Pedro Pablo Kuczynski Proteste ausgelöst. Mehr als 5000 Menschen gingen am Montagabend in der Hauptstadt Lima auf die Strasse, um gegen die vorzeitige Haftentlassung des 79-jährigen Ex-Präsidenten zu protestieren.
Die Demonstranten forderten Kuczynskis Rücktritt. «Raus, raus PPK!», riefen die Demonstranten in Sprechchören über den Präsidenten, der nach seinen Initialen nur «PPK» genannt wird. Die Polizei setzte Tränengas ein und errichtete Strassensperren, um die Demonstranten daran zu hindern, zum Krankenhaus zu ziehen, in dem Fujimori wegen eines Herzleidens behandelt wird.
«Schmutziger Deal»
Kritiker werfen Kuczynski einen «schmutzigen Deal» mit Fujimoris Sohn Kenji vor. Dieser soll als Gegenleistung dafür gesorgt haben, dass die Opposition am Donnerstag nicht genug Stimmen für eine sicher geglaubte Amtsenthebung Kuczynskis im Parlament zusammenbekam. Eingeleitet worden war das Verfahren von Fujimoris Tochter Keiko, die die Präsidentenwahl 2016 nur knapp gegen den ehemaligen Wall-Street-Banker Kuczynski verloren hatte und nun die grösste Oppositionspartei anführt.
Kuczynski hatte an Heiligabend Fujimoris vorzeitige Haftentlassung aus «humanitären Gründen» bekanntgegeben. Als Grund nannte er den schlechten Gesundheitszustand des 79-Jährigen. Fujimori leide an einer fortgeschrittenen und unheilbaren Krankheit, erklärte Kuczynskis Büro. Die Haftbedingungen seien für ihn lebensgefährlich. Am Samstag war Fujimori wegen Herzrhythmusstörungen ins Spital gebracht worden.
«Gerechtigkeit bedeutet nicht Rache»
Während des Präsidentschaftswahlkampfs 2016 hatte Kuczynski eine Begnadigung seines schon lange schwer kranken Vorgängers noch ausgeschlossen. Am Montagabend rechtfertigte er seinen Sinneswandel in einer Fernsehansprache.
Fujimori solle nicht im Gefängnis sterben, «denn Gerechtigkeit bedeutet nicht Rache», sagte Kuczynski. Es gehe um die «Gesundheit und die Überlebenschancen» eines früheren Präsidenten, der in seiner Amtszeit «Exzesse und schwere Fehler» begangen habe, aber bereits zwölf Jahre seiner Haft abgesessen habe.
Fujimori hatte Peru von 1990 bis 2000 mit harter Hand regiert. 2005 trat er eine 25-jährige Haftstrafe wegen Korruption und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an. Im Kampf gegen die Links-Guerilla Leuchtender Pfad (Sendero Luminoso) hatte er Todesschwadronen eingesetzt, zur Geburtenkontrolle liess er zahllose Frauen - hauptsächlich Indios - zwangssterilisieren.
Inmitten eines Korruptionsskandals setzte sich Fujimori im Jahr 2000 nach Japan ab, von wo seine Eltern eingewandert waren, und erklärte von einem Hotel in Tokio aus per Fax seinen Rücktritt. 2005 reiste er nach Chile, um von dort sein politisches Comeback vorzubereiten. Er wurde stattdessen festgenommen, nach Peru ausgeliefert und schliesslich zu 25 Jahren Haft verurteilt.
Fujimori entschuldigt sich
Am Dienstag entschuldigte sich Fujimori in einem auf Facebook veröffentlichten Video für Verfehlungen während seiner Amtszeit. «Ich räume ein, dass ich einen Teil meiner Mitbürger enttäuscht habe», sagte Fujimori von seinem Krankenbett aus. «Ich bitte sie aus tiefstem Herzen um Entschuldigung.»
Die Peruaner sind in der Beurteilung ihres ehemaligen Staatschefs gespalten. Weil er den Guerilla-Aufstand beendete und das Land wirtschaftlich nach vorne brachte, hat Fujimori bis heute viele Anhänger.
Angehörige der Opfer Fujimoris und Menschenrechtsaktivisten verurteilten dagegen Kuczynskis Entscheidung. Bei schweren Vergehen wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit dürfe es keine Amnestie geben, sagte der Opferanwalt Carlos Rivera.
Die vorzeitige Haftentlassung Fujimoris verhöhne die Opfer, erklärte der Generalsekretär der Interamerikanischen Menschenrechtskommission, Paulo Abrao. «Das ist keine Versöhnung; das ist ganz einfach Straflosigkeit», fügte er hinzu.
In einem Rechtsstaat dürfe es für niemanden eine «Sonderbehandlung» geben, erklärte der Direktor von Human Rights Watch für Amerika, José Miguel Vivanco. Zudem werde nun «für immer» der Eindruck bestehen bleiben, dass Fujimori «im Austausch» für Kuczynskis Machterhalt begnadigt worden sei. (SDA/rad)