Der umstrittene Populist Andrej Babis ist klarer Sieger der Parlamentswahl in Tschechien. Der Multimilliardär kam mit seiner Protestbewegung ANO («Ja») nach Auszählung aller Stimmen auf 29,6 Prozent der Stimmen.
Vor vier Jahren war die Partei mit 18,7 Prozent nur zweitstärkste Kraft geworden. Die Wahlbeteiligung war nun mit knapp 61 Prozent etwa gleich hoch wie 2013, wie das Statistikamt CSU am Samstag in Prag mitteilte.
Alle Parteivorsitzenden zu Gesprächen eingeladen
Babis hofft nach eigenem Bekunden auf eine schnelle Regierungsbildung. Er habe alle Parteivorsitzenden per SMS zu Gesprächen eingeladen, sagte der Ex-Finanzminister am Wahlabend vor jubelnden Anhängern in Prag.
Der 63 Jahre alte Babis hatte sich im Wahlkampf als Euroskeptiker, Kritiker der Flüchtlingspolitik der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gegner einer tieferen EU-Integration profiliert.
Zweitstärkste Kraft wurden die konservativen Bürgerdemokraten (ODS) mit 11,3 Prozent. Ihr Vorsitzender Petr Fiala schloss ein Bündnis mit Babis aus. «Wir werden einen Kampf führen um Werte, einen Kampf um die aussenpolitische Ausrichtung Tschechiens, einen Kampf um alles, was bisher als selbstverständlich galt», sagte der ODS-Chef.
Debakel für die Sozialdemokraten
Der Ausgang der Wahl kommt einem politischen Erdbeben für die tschechische Parteienlandschaft gleich. Stark zulegen konnte auch die rechtsradikale SPD des Unternehmers Tomio Okamura - sie kam auf 10,6 Prozent. «Wir wollen jegliche Islamisierung Tschechiens stoppen», sagte er in einer ersten Reaktion.
Die Sozialdemokraten (CSSD), die bisher den Regierungschef gestellt hatten, erlebten laut Zwischenergebnis ein Debakel. Sie stürzen auf 7,3 Prozent ab (2013: 20,5 Prozent). Die Partei konnte Politologen zufolge nicht von der boomenden Wirtschaft und der niedrigen Arbeitslosenquote von nur 3,8 Prozent profitieren.
Piraten schaffen Überraschung
Für eine Überraschung sorgte die Piratenpartei: Sie wird mit 10,8 Prozent der Stimmen erstmals den Einzug ins 200-Sitze-Abgeordnetenhaus schaffen. Die tschechischen Parlaments-Newcomer traten im Wahlkampf gegen die grassierende Korruption und für die Legalisierung von Drogen wie Haschisch und Marihuana ein.
Nun muss Babis zeigen, dass er nicht nur kritisieren kann
Wahslieger Babis fordert einen schlanken Staat, den er «wie eine Firma lenken» will. Er ist Gründer eines Firmenimperiums, das bedeutende Tageszeitungen und den meistgehörten Privatradiosender umfasst. Kritiker vergleichen ihn mit US-Präsident Donald Trump oder dem Italiener Silvio Berlusconi und warnen vor einer nie dagewesenen Konzentration medialer, politischer und wirtschaftlicher Macht.
Babis präsentierte sich erfolgreich als Gegner des Establishments, obwohl seine Partei seit 2014 mit in der Regierung war. Bei der Stimmabgabe versprach er einen Kampf gegen das «korrupte Klientelsystem».
Ermittlungen wegen Subventionsbetrugs
Doch die Polizei ermittelt gegen ihn selbst wegen mutmasslichen EU-Subventionsbetrugs in Millionenhöhe. Viele Parteien lehnen daher eine Zusammenarbeit mit ihm ab. Tschechiens Präsident Milos Zeman signalisierte bereits, den Wahlsieger dennoch mit der Regierungsbildung zu beauftragen.
In Europa dürfte nun die Angst vor einem wachsenden Graben zwischen dem westlichen und östlichen Teil der EU wachsen. Babis bezeichnete den österreichischen Wahlsieger Sebastian Kurz bereits als einen weiteren «Verbündeten» der Visegrad-Gruppe im Kampf gegen die EU-Flüchtlingspolitik. Zu den Visegrad-Vier zählen neben Tschechien auch Polen, Ungarn und die Slowakei.
Der Politologe Jiri Pehe sieht in Babis indes keinen Nationalisten vom Schlag eines Jaroslaw Kaczynski in Polen oder eines Viktor Orban in Ungarn. Babis habe keine festen Überzeugungen oder Ideen, sondern wolle seinen eigenen Reichtum mehren, sagte Pehe der Nachrichtenagentur dpa. «Er ist ein typischer egozentrischer Oligarch mit einem leichten Sendungsbewusstsein - darin ähnelt er mehr Trump oder Berlusconi als den Herren aus der Visegrad-Gruppe.(SDA)