Die katholische Kirche stellt ab heute bei einem historischen Gipfel zum Missbrauchsskandal die Weichen für die Zukunft. Auf Einladung von Papst Franziskus (82) beraten die Spitzen der Bischofskonferenzen im Vatikan über Wege aus der jahrzehntelangen Krise.
Als Vorsitzender der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) fährt der Basler Bischof Felix Gmür (52) nach Rom. Vorab kritisierte er den Umgang der Kirche mit Skandalen. «Sie regelte es en famille – wie es in Institutionen so ist –, um gegen aussen gut dazustehen. Das soll sich ändern», sagte er dem «Tagblatt».
Die Hoffnung teilt Luganos Bischof Valerio Lazzeri (55): «Manche Länder sind bei der Aufarbeitung und Prävention schon weiter als andere. Ich hoffe, der Dialog zwischen den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen führt zu einer konstruktiven Auseinandersetzung.» Auch Abt Urban von Einsiedeln (50) hofft auf ein grösseres Bewusstsein – «auch in den Ländern, in denen bis heute etwa über sexuellen Missbrauch nicht gesprochen wird».
Konservative machen Druck auf Franziskus
Franziskus folgt beim Umgang mit sexuellem Missbrauch der Nulltoleranz-Linie seines Vorgängers. Deutlich machte er das Mitte Februar, als er den Ex-Erzbischof von Washington Theodore McCarrick (88) aus dem Priesterstand entliess. Eine Zäsur: Noch nie zuvor wurde ein so ranghoher Kirchenmann seiner Rechte und Pflichten enthoben.
Doch erzkonservative Kreise setzen Franziskus unter Druck. Sie machen entgegen aller Studien Homosexualität für den Missbrauch verantwortlich. Zwei Franziskus-Gegner zündelten im Vorfeld der Konferenz, in einem offenen Schreiben beklagten sie die «homosexuellen Netzwerke» als eigentliches Übel.
Die Schweiz gilt als Vorreiter beim Umgang mit sexuellem Missbrauch. In allen Bistümern gibt es Fachstellen, Kommissionen und Richtlinien. Doch allein zwischen 2010 und 2017 gingen 283 Meldungen bei der SBK ein – die Vorwürfe reichen von ungefragten Zärtlichkeiten bis zu sexuellen Attacken.