Paläontologie
Fossil wirft neues Licht auf Menschenaffen-Evolution

Leipzig/New York/Nairobi – Ein neu entdeckter 13 Millionen Jahre alter Affenschädel ergänzt das Wissen um die Evolution von Menschenaffen und Menschen: Der fossile Fund aus Kenia zeigt, wie der gemeinsame Vorfahre aller heute lebenden Menschenaffen und Menschen ausgesehen haben könnte.
Publiziert: 09.08.2017 um 19:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 03:00 Uhr
Der Schädel des 13 Millionen Jahre alten Vorfahren von Menschenaffen und Menschen wurde bei Ausgrabungen in Kenia entdeckt.
Foto: Isaiah Nengo

Der Mensch ist am nächsten mit heute lebenden Menschenaffenarten wie Schimpansen, Gorillas, Orang-Utans und Gibbons verwandt. Der gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schimpanse lebte vor etwa sechs bis sieben Millionen Jahren in Afrika.

Im Gegensatz dazu ist wenig bekannt über die Entwicklung der gemeinsamen Vorfahren der heute lebenden Menschenaffen und Menschen vor mehr als zehn Millionen Jahren. Relevante Fossilien gibt es nur wenige, bei den Funden handelt es sich vorwiegend um einzelne Zähne und partielle Kieferknochen. Daher war es bisher schwierig, Antworten auf zwei grundlegende Fragen zu finden: Wie dieser Ahne aussah und woher er kam.

Jetzt können Forscher diese Fragen möglicherweise beantworten, denn das neu entdeckte Menschenaffenfossil, das von seinen Entdeckern Alesi genannt wird und die Museumsnummer KNM-NP 59050 trägt, stammt aus einer kritischen Zeit der afrikanischen Vergangenheit. Im Jahre 2014 wurde es von dem kenianischen Fossiliensammler John Ekusi in 13 Millionen Jahre alten Gesteinsschichten in der Region Napudet, westlich des Turkana-Sees im Norden Kenias entdeckt.

Bei dem Fossil handelt es sich um den Schädel eines Jungtieres und den am vollständigsten erhaltenen Schädel eines ausgestorbenen Menschenaffen. Bei der Untersuchung wurden auch Röntgen-CT-Aufnahmen verwendet. Die Zusammenfassung ihrer Ergebnisse stellen die Wissenschaftler nun im Fachblatt «Nature» vor.

«Wir konnten Hirnhöhle, Innenohr und die noch nicht durchgebrochenen bleibenden Zähne mit ihren täglichen Wachstumslinien sichtbar machen», sagte Paul Tafforeau von der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich. «Die Qualität unserer Bilder war so gut, dass wir anhand der Zähne herausfinden konnten, dass das Kind etwa ein Jahr und vier Monate alt war, als es starb.»

Die noch nicht durchgebrochenen bleibenden Zähne im Schädel des jungen Menschenaffen zeigten auch, dass er einer neuen Art angehört: Nyanzapithecus alesi. Der Artname wurde von dem Turkana-Wort «Ales» («Vorfahr») abgeleitet. Die Forschenden vermuten, dass es sich bei Alesi um einen nahen Verwandten des gemeinsamen Vorfahren heutiger Menschenaffen und Menschen handelt.

«Bisher waren alle Nyanzapithecus-Arten nur durch ihre Zähne bekannt, und es war offengeblieben, ob es sich bei ihnen überhaupt um Menschenaffen handelte», sagte John Fleagle von der Stony Brook University (USA). Wichtig ist, dass der Schädel über vollständig entwickelte knöcherne Gehörgänge verfügt, ein wichtiges Merkmal, das ein Bindeglied zu heute lebenden Menschenaffen herstellt.

«Alesis» Schädel ist etwa so gross wie eine Zitrone, und mit seiner besonders kleinen Schnauze sieht er eher aus wie ein Gibbon-Baby. «Zuerst könnte man denken, es handelt sich um einen ausgestorbenen Gibbon», sagte Chris Gilbert vom Hunter College, New York. «Allerdings zeigen unsere Analysen, dass dieses Erscheinungsbild nicht ausschliesslich bei Gibbons gefunden wird, sondern sich im Laufe der Evolution bei den ausgestorbenen Menschenaffen, Affen und ihren Verwandten mehrfach entwickelt hat.»

Dass die neue Art vom Verhalten her sicher nicht «gibbonartig» war, konnten die Forscher aber anhand einer Untersuchung des Gleichgewichtsorgans innerhalb des Innenohrs belegen. «Gibbons sind für ihr schnelles und akrobatisches Verhalten in Bäumen bekannt», sagte Fred Spoor (Leipzig), «aber das Innenohr von 'Alesi' zeigt, dass er sich vorsichtiger fortbewegt haben muss.»

«Nyanzapithecus alesi gehörte einer Gruppe von Primaten an, die bereits seit mehr als zehn Millionen Jahren in Afrika lebten», folgerte US-Erstautor Isaiah Nengo. «Die Entdeckung von 'Alesi' zeigt, dass diese Gruppe dem Ursprung heute lebender Menschenaffen und Menschen sehr nahe war und dass dieser Ursprung afrikanisch war.»

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