Auf einer am Sonntagabend unter dem Titel «#OutInChurch» freigeschalteten Website offenbaren haupt- und ehrenamtliche sowie ehemalige Mitarbeiter ihre sexuelle Orientierung, darunter auch Priester. Die sexuelle Orientierung der queeren Mitarbeiter widerspricht nicht nur der katholischen Lehre, sie kann auch arbeitsrechtlich berufliche Konsequenzen bringen.
Der aus dem Englischen stammende Begriff «queer» bezeichnet all jene sexuellen oder geschlechtlichen Identitäten, die von der heterosexuellen Mehrheit abweichen. Darunter fallen etwa homo-, trans- oder intersexuelle Menschen. Der Begriff hat damit ein deutlich weiteres Bedeutungsfeld als ältere Begriffe wie etwa «schwul» oder «lesbisch».
Änderungen im kirchlichen Arbeitsrecht gefordert
Unter den Mitstreitern der Initiative sind ausser Priestern auch Ärzte, Lehrer, Leiter in Jugendverbänden, von Kitas und Mitarbeiter in den sozialen Hilfswerken der Kirche. Katholische Verbände wie das Zentralkomitee deutscher Katholiken oder der Bund der Deutschen Katholischen Jugend begrüssten die Initiative.
Deren Website war Montag zwischenzeitlich nicht zu erreichen. Zu den auch bei Facebook verbreiteten Forderungen der Gruppe gehört, «ohne Angst offen leben und arbeiten können» zu wollen - und dass Menschen mit nicht-heterosexueller Orientierung einen «diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern der Kirche erhalten». Dafür müsse das kirchliche Arbeitsrecht so geändert werden, dass eine offene nicht-heterosexuelle Partnerschaft «niemals als Loyalitätsverstoss oder Kündigungsgrund gewertet werden» darf.
Zudem müsse die Kirche «diffamierende und nicht zeitgemässe Aussagen» zur Sexualität revidieren und gegen «jede Form von Diskriminierung» eintreten. Die Kirche solle zudem aufhören, nicht-heterosexuellen Menschen den Zugang zu Sakramenten zu verwehren. Die Mitglieder der Initiative fordern auch eine Aufarbeitung des Leids, das die Kirche durch ihre diskriminierende Haltung verursachte, sowie ein Schuldeingeständnis der Bischöfe.
Das katholische Arbeitsrecht hat Besonderheiten. So warnt der Lesben- und Schwulenverband, dass katholische Beschäftigte, die in hervorgehobener Position in kirchlichen Einrichtungen beschäftigt sind, mit ihrer Kündigung rechnen müssen, wenn bekannt wird, dass sie verpartnert oder gleichgeschlechtlich verheiratet sind.
Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Kirche
Der Hamburger Erzbischof Stefan Hesse äusserte «Respekt» für das Outing und mahnte Änderungen in der katholischen Sexualmoral an. «Eine Kirche, in der man sich wegen seiner sexuellen Orientierung verstecken muss, kann nach meinem Dafürhalten nicht im Sinne Jesu sein», erklärte Hesse. Er sei «gerne zum Dialog bereit» und biete den Unterzeichnern und Unterzeichnerinnen der Aktion aus seinem Bistum ein Gespräch an.
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), erklärte, die katholische Kirche sei bislang kein Ort, an dem queere Menschen selbstverständlich zu ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität stehen können. Vor dem «Mut derjenigen, die sich jetzt mit dem eigenen Namen und dem eigenen Gesicht zum ersten Mal für Sichtbarkeit und Akzeptanz queerer Menschen in ihrer Kirche einsetzen», habe er «den grössten Respekt».
Lehmann erkannte an, dass trotz der weiter bestehenden Risiken für ein Outing innerhalb der katholischen Kirche einiges in Bewegung gekommen sei. «Viele Engagierte in Laienorganisationen, aber auch etliche Bischöfe, Priester und Ordensleute zeigen sich längst nicht mehr so verschlossenen wie früher gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.» Er verstehe «OutInChurch» als ein ebenso wegweisendes wie hoffnungsvolles Signal.
(AFP)