Es brauche vertrauensbildende Massnahmen, mehr Transparenz und mittelfristig wieder eine effektive Rüstungskontrolle. «Wir haben immer mehr Manöver und Gruppenstationierungen in Grenznähe», sagte Greminger in Anspielung auf Russland und die NATO-Staaten im Gespräch mit der Nachrichtenagentur APA.
Hier gebe es ein «Eskalationsrisiko» und ein «Risiko von Missverständnissen». Auch gebe es derzeit «ein absolutes Vertrauensdefizit» zwischen den wichtigsten Akteuren im OSZE-Raum, sagte der Diplomat, der als Brückenbauer zwischen dem Westen und Russland gilt.
Das «Wiener Dokument», in dem sich die Staaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auf vertrauensbildende Massnahmen verständigt hätten, müsse «dringend angepasst werden an die heutige Realität», forderte Greminger. Es stamme nämlich aus dem Kalten Krieg und sei auf grosse Landkriege ausgerichtet.
«Heute kann schon ein verstärktes Bataillon am falschen Ort ein Sicherheitsrisiko darstellen», sagte Greminger und forderte etwa eine Senkung der Untergrenzen für militärische Übungen, die angekündigt werden müssen und bei denen Besuche ermöglicht werden müssen.
Greminger lobte den österreichischen OSZE-Vorsitz, weil er einen «strukturierten Dialog» zu diesen Fragen in Gang gebracht habe. «Das haben die Österreicher geschickt gemacht. Sie haben einen guten Dialog etabliert», sagte der seit Juli amtierende OSZE-Generalsekretär. «Mittelfristig müsste gelingen, die ganze konventionelle Rüstungskontrolle wieder in Gang zu bringen», fügte er an.
Als Schweizer Botschafter war es Greminger während des OSZE-Vorsitzes der Schweiz im Jahr 2014 gelungen, die 1000 Personen starke Ukraine-Beobachtungsmission (SMM) auf die Beine zu stellen und empfahl sich damit für den Spitzenposten in der Organisation. Als grösste Mission in der Geschichte der OSZE trug die SMM wesentlich zur Eindämmung des Konflikts zwischen Armee und pro-russischen Separatisten in der Ostukraine bei.
«Die SMM ist in der Prävention der weiteren Eskalation bisher erfolgreich gewesen», betonte der OSZE-Generalsekretär. «Aber wenn wir zur Konfliktlösung kommen, stecken wir in einer totalen Sackgasse.» Deshalb sei er dafür, alle Vorschläge zur Überwindung der Sackgasse und zur Verbesserung der Sicherheit in der Ostukraine zu prüfen, sagte Greminger mit Blick auf die von Russland vorgeschlagene Blauhelm-Mission für die Ostukraine.
Obwohl Moskau und Kiew noch weit auseinander seien, könne es bei entsprechendem politischen Willen rasch eine Einigung geben. Operativ könne die Mission dann innerhalb von sechs bis zwölf Monaten sein.
Greminger pochte zugleich darauf, dass die OSZE an dieser UNO-Mission beteiligt wird. «Wenn es so weit kommen sollte, dann wollen wir natürlich von Anfang an Teil der ganzen Planung und Konzeption sein, weil wir seit drei Jahren in der Region operieren und über die nötigen Kapazitäten verfügen, die zivilen Komponenten einer solchen Operation zu stellen.» Geben werde es die Friedensoperation nur, wenn sie nach der Logik der Minsker Vereinbarung zur Ukraine funktioniere.
Vom OSZE-Jahrestreffen kommende Woche in Wien erhofft sich Greminger «politische Impulse zur Umsetzung der Minsker Abkommen». Zumindest erwarte er sich «eine klare Unterstützung» für die OSZE-Aktivitäten in der Ukraine.
«Nicht sehr ermutigend» ist für Greminger die militärische Lage in der Ostukraine. In den vergangenen Wochen hätten die Zwischenfälle zugenommen, einmal habe es sogar 2000 an einem einzigen Tag gegeben. Ausserdem seien immer mehr schwere Waffen in der Nähe der Kontaktlinie. «Die Situation kann immer eskalieren. In diesem Sinne machen wir uns schon Sorgen.»