Wenn Grossbritannien auf Betreiben des Parlaments nicht wie vorgesehen am 31. Oktober aus der EU austrete, «wird das dem Vertrauen des Volkes in die Politik dauerhaft Schaden zufügen», sagte Johnson am Freitag im Fernsehsender Sky News.
Die Abgeordneten hätten nach dem Brexit-Referendum 2016 «versprochen», das Ergebnis umzusetzen. «Und ich hoffe, dass sie das machen werden», fügte Johnson hinzu.
Zwangspause fürs Parlament
Johnson hatte dem britischen Parlament zwei Monate vor dem geplanten Brexit eine fast fünfwöchige Zwangspause verordnet. Königin Elizabeth II. stimmte am Mittwoch einem Antrag Johnsons zu, die traditionelle Parlamentspause im September bis zum 14. Oktober zu verlängern. Die Entscheidung gibt den Abgeordneten deutlich weniger Zeit, einen ungeregelten EU-Austritt am 31. Oktober noch per Gesetz zu verhindern.
Viele britische Abgeordneten wollen einen No-Deal-Brexit unbedingt verhindern. Johnson will sein Land notfalls auch ohne Abkommen aus der EU führen.
Johnson löst politisches Erdbeben aus
Die von Premierminister Boris Johnson erwirkte Zwangspause des britischen Parlaments hat auch am Tag nach der Entscheidung erhebliche Kontroversen ausgelöst. Ein Mitglied der konservativen Regierungspartei im Oberhaus, David Young, legte am Donnerstag aus Protest gegen den Schritt sein Fraktionsamt nieder.
Eine Online-Petition gegen die Suspendierung des Parlaments erreichte derweil um die Mittagszeit rund 1,4 Millionen Unterschriften. Die Eingaben an das Parlament haben jedoch hauptsächlich symbolischen Charakter.
Mehrere Klagen gegen Zwangspause eingereicht
Das oberste Gericht in Schottland beraumte indessen eine kurzfristige Anhörung in der Sache an. Eine Gruppe von Abgeordneten hatte dort Klage eingereicht und forderte eine einstweilige Verfügung bis geklärt ist, ob die Zwangspause für das Parlament rechtmässig ist. Wann eine Entscheidung getroffen werden soll, war zunächst unklar.
Auch die Aktivistin und Geschäftsfrau Gina Miller erklärte, sie habe rechtliche Schritte eingeleitet.
Opposition hat nur wenig Zeit, um No-Deal-Brexit abzuwenden
Die britische Opposition will trotz der Suspendierung des Parlaments versuchen, einen No-Deal-Brexit per Gesetz zu verhindern, wie der Labour-Politiker Barry Gardiner in einem BBC-Interview sagte. «Wir werden versuchen, die entsprechende Gesetzgebung in diesem engen Zeitrahmen, den uns die Regierung auferlegt hat, durchzubringen», sagte Gardiner.
Die Abgeordneten haben nur wenige Tage Zeit, um ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren durchzuführen, wenn das Parlament am kommenden Dienstag erstmals nach der Sommerpause wieder zusammentritt. Zwischen dem 9. und 12. September soll die laufende Sitzungsphase beendet werden. Alle bis dahin nicht abgeschlossenen Gesetzgebungsverfahren verfallen dann.
Ein zweites Zeitfenster im Oktober ist ähnlich eng. Angesichts der vielen Hürden im Gesetzgebungsverfahren ist es kaum möglich, ein Gesetz in dieser kurzen Zeit zu verabschieden.
Scheitert Opposition am Oberhaus?
Sorgen bereitet den No-Deal-Gegnern vor allem das Oberhaus, weil dort regierungstreue Lords mit einer Flut von Anträgen und Filibuster (Dauerreden) versuchen könnten, Zeit zu verschwenden. Verfassungsexperten zufolge könnten die Abgeordneten einige Tage gewinnen, wenn das Parlament beschliesst, auch Samstag und Sonntag zu Sitzungstagen zu erklären.
Kommt es zu einem Misstrauensvotum?
Sollte es nicht gelingen, ein Gesetz gegen den Brexit ohne Abkommen zu verabschieden, bliebe wohl nur ein Misstrauensvotum gegen die Regierung. Umstritten ist jedoch, wer eine Interimsregierung nach dem möglichen Sturz Johnsons anführen soll. Oppositionsführer Jeremy Corbyn gilt dafür als zu kontrovers.
Die am Donnerstag zurückgetretene Chefin der schottischen Konservativen, Ruth Davidson, wies indessen Spekulationen zurück, sie habe ihr Amt wegen des Brexit-Kurses der Regierung abgegeben. Die Gründe dafür seien in erster Linie privat, sagte die 40-Jährige bei einer Erklärung in Edinburgh. Sie wolle mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen.
Davidson gilt als eine der erbittertsten Gegnerinnen eines ungeregelten Brexits in der Tory-Partei. Ihre Botschaft an Johnson sei: «Premierminister, besorgen sie uns einen Deal mit der Europäischen Union.»
Sie sei überzeugt, dass Johnson ein Abkommen mit der EU vor dem Austrittsdatum am 31. Oktober erreichen wolle. Die No-Deal-Gegner im Parlament rief sie dazu auf, für ein Abkommen zu stimmen. Davidson galt einst als Hoffnungsträgerin ihrer Partei. (SDA)
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.
Das Wirtschaftsklima in Grossbritannien ist wegen des drohenden harten Brexit so schlecht wie seit 2012 Jahren nicht mehr. Das Barometer fiel im August um 1,8 auf 92,5 Punkte, wie die EU-Kommission am Donnerstag zu ihrer monatlichen Umfrage mitteilte.
Bei Dienstleistern, Einzelhändlern und Verbrauchern trübte sich die Stimmung merklich ein. In der Industrie hellte sie sich dagegen auf. Bei einem EU-Abschied Grossbritanniens ohne Scheidungsvertrag droht ihr allerdings eine Unterbrechung wichtiger Lieferketten.
Die britische Wirtschaft ist im zweiten Quartal leicht geschrumpft - zum ersten Mal seit 2012. Ob es im laufenden Sommerquartal wieder zu einem Wachstum reichen wird, ist angesichts des Umfrageergebnisses fraglich. (SDA)
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Bei Dienstleistern, Einzelhändlern und Verbrauchern trübte sich die Stimmung merklich ein. In der Industrie hellte sie sich dagegen auf. Bei einem EU-Abschied Grossbritanniens ohne Scheidungsvertrag droht ihr allerdings eine Unterbrechung wichtiger Lieferketten.
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