Gespenstische Szenen gestern Morgen in Kopenhagen: Nahe des Bahnhofs Nørrebro liegt der tote Terrorist auf der Strasse, neben ihm ermittelt die Spurensicherung. Zwei Menschen hatte der Attentäter erschossen, fünf Polizisten verletzt, bevor er bei einem Feuergefecht mit der Polizei starb.
Jetzt ist der Killer von Kopenhagen identifiziert. Es handelt sich um den 22-jährigen Omar Abdel Hamid El-Hussein, schreibt das Ekstra Bladet. Er ist in Dänemark geboren worden und lebte in Kopenhagen. Omar war ein Mitglied der kriminellen Gang «Brothas». Er ist vorbestraft für mehrere Straftaten, etwa Verstösse gegen das Waffengesetz und Gewaltdelikte.
Er kam erst gerade aus dem Gefängnis frei
Nach Informationen des «Ekstra Bladet» wurde Omar Abdel Hamid El-Hussein erst vor zwei Wochen aus dem Gefängnis entlassen. Er sass wegen schwerer Körperverletzung ein. Bei einer Messerstecherei im November 2013 hatte er einer 19-Jähriger mit einem grossen Messer mehrmals in Bein und Gesäss gestochen.
Im Dezember 2014 war er zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Aufgrund der langen Dauer der Untersuchungshaft kam er nun bereits wieder frei.
Vermutlich kein Komplize
Über das Motiv seiner blutigen Tat wird nach wie vor gerätselt - es sehe allerdings nach einem Nachahmer-Amoklauf von «Charlie Hebdo» aus, sagt Jens Madsen von der Kopenhagener Polizei.
Es gebe keine Hinweise auf Komplizen oder einen Aufenthalt des Mannes als Dschihadist in Syrien oder im Irak. Ob es eventuell im Gefängnis zu einer islamistischen Radikalisierumg kam, kann die Polizei bis jetzt nicht sagen.
Gestern Morgen befragte die Polizei Gangmitglieder der «Brothas» in der Gegend um Mjølnerparken. An einer Adresse fanden die Ermittler eine Waffe, die die Tatwaffe sein könnte.
Aufrufe zu solchen Anschlägen auf Twitter
Die Terrorangriffe in der dänischen Hauptstadt erinnern an sogenannte «Einsamer-Wolf»-Attacken - ähnlich den Anschlägen Anfang des Jahres in Paris. Sowohl Al-Kaida wie auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) rufen im Internet zu solchen Angriffen auf, die keine grosse Organisation erfordern.
Beide sunnitischen Terrororganisationen buhlen derzeit um die Aufmerksamkeit von Islamisten in aller Welt. Führer von Al-Kaida betonten in mehreren Videos im Januar die Pflicht jedes gläubigen Muslims zu Angriffen auf den Westen. Damit könne er mehr Schaden anrichten, als wenn er zum Kampf in ein muslimisches Land ziehe.
IS-Anhänger verbreiten vor allem über Twitter, aber auch über andere Kanäle im Web, Aufrufe zu blutigen Einzeltaten. Erst am vergangenen Montag rief ein IS-Dschihadist aus Syrien in einem Internet-Video auf Französisch zu neuen «Einsamer-Wolf»-Anschlägen im Westen auf.
Etwa 30 Schüsse auf Kulturcafé
Am späten Samstagnachmittag hatte der Kopenhagen-Killer mit einer automatischen Waffe auf ein Kulturcafé das Feuer eröffnet, in dem eine Veranstaltung zum Thema Kunst, Gotteslästerung und Meinungsfreiheit mit dem Mohammed-Karikaturisten Lars Vilks stattfand - der dänische Regisseur Finn Nørgaard (†55) starb, drei Polizisten wurden verletzt.
Die Polizei geht davon aus, dass der Angriff Vilks galt. Der schwedische Karikaturist hatte 2007 ein Bild veröffentlicht, das den Propheten Mohammed als Hund darstellt. Ein Al-Kaida-Ableger hatte anschliessend ein Kopfgeld von 150'000 Dollar auf ihn ausgesetzt. Seither war der Künstler bereits mehrfach Ziel von Extremisten, er wird deshalb von Sicherheitskräften bewacht.
Femen-Aktivistin bei Rede jäh unterbrochen
Als der Täter das Feuer eröffnete, brachte sich Vilks gemeinsam mit der Mitorganisatorin der Veranstaltung, der Journalistin Helle Merete Brix, in einem Kühlraum in Sicherheit.
Der französische Botschafter in Kopenhagen, François Zimeray, und die bekannte Aktivistin Inna Schewtschenko von der Feministinnen-Gruppe Femen waren ebenfalls unter dem Gästen der Veranstaltung. Schewtschenko hatte gerade ihre Rede begonnen, als die Schüsse fielen. Beide blieben unverletzt.
Toter bei Anschlag auf Synagoge
Etwa zehn Stunden nach dem ersten Anschlag versuchte wahrscheinlich derselbe Täter nach Mitternacht in eine Synagoge einzudringen. Es fielen erneut Schüsse. Dabei wurde Dan Uzan (†37) in den Kopf geschossen und getötet, zudem erlitten zwei Polizisten Schusswunden an Armen beziehungsweise Beinen. Der Täter sei zu Fuss vom Tatort geflohen, hiess es.
In der Synagoge sei zum Zeitpunkt des Vorfalls eine Bar Mitzwa gefeiert worden. Die 80 Menschen im Innern der Synagoge blieben unverletzt.
Inzwischen hatte die Polizei Stellung vor Omars Wohnung bezogen. Kurz vor 5.00 Uhr kehrte der mutmassliche Täter zurück. Die Sicherheitskräfte riefen ihm zu. Er eröffnete sofort das Feuer. Die Beamten schossen zurück und trafen ihn tödlich.
Der blutige Anschlag in Kopenhagen passierte fünf Wochen nach dem blutigen Anschlag auf die französische Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» und den anschliessenden Terrorattacken in Paris mit insgesamt 20 Toten. (ct/SDA)