Aus dem Stilmittel-Blumenstrauss wählte er die knalligsten Blüten mit den eingängigsten Farben: Anapher, Epipher, Wiederholung, rhetorische Fragen: Wolodimir Selenskis (44) neuste Rede gleicht einem Gedicht aus dem Lehrbuch.
Vor rund 200 Tagen startete Russland seine Invasion in die Ukraine. Ein Ende des Krieges ist nicht absehbar. Die aktuellsten Ereignisse berichten von Stromausfällen in weiten Regionen im Osten des Landes – schuld daran seien russische Anschläge. Präsident Selenski rechnet nun in einem Wutgedicht mit Russland ab.
«Terroranschläge» auf ukrainische Infrastruktur
Nachdem die Ukraine am Wochenende einen Erfolg feierte und einen grossen Teil der Besatzer im Osten zurückgedrängt hatte, folgt nun für die Zivilbevölkerung die Krise: In den gesamten Regionen Donezk und Charkiw herrsche Stromausfall, schreibt Selenski unter seinem Video-Post auf Instagram.
Es ist eine nächtliche Aufnahme, in der man Infrastruktur in Flammen aufgehen sieht. «Selbst durch die undurchdringliche Dunkelheit sehen die Ukraine und die zivilisierte Welt diese Terroranschläge deutlich», schreibt er dazu. Es seien «keine militärischen Einrichtungen» gewesen.
Weg ohne Russland
Darunter richtet er seine Wutpoesie direkt an den Kreml: «Glaubt ihr immer noch, dass ihr uns Angst machen, uns brechen, uns dazu bringen könnt, Zugeständnisse zu machen? Habt ihr wirklich nichts verstanden?»
Dann solle man ihm «von den Lippen» ablesen. Habe das ukrainische Volk die Wahl zwischen Gütern aus russischer Hand oder ohne sie auszukommen, dann wählte es den Weg ohne Russland: «Ohne euch.» Dieses eingängige Frage-Antwort-Modell wiederholt Selenski einige Male und epiphiert jeweils mit der harten und klaren Entscheidung, dann eben «ohne euch».
«Ohne Benzin oder ohne euch? Ohne euch.
Ohne euch oder ohne Licht? Ohne euch.
Ohne Wasser oder ohne euch? Ohne euch.
Ohne Essen oder ohne euch? Ohne euch.»
«Die Geschichte wird alles in Ordnung bringen»
Die ukrainische Bevölkerung bleibe weiter standhaft. Sie werde jede noch so harte Entbehrung weiter hinnehmen, anstatt Mittel von Russland anzunehmen. Zu frieren, hungern oder zu dursten sei weniger «tödlich als eure Freundschaft und Bruderschaft».
Selenski beendet sein Wutgedicht mit den Worten: «Die Geschichte wird alles in Ordnung bringen. Und das werden wir mit Gas, Licht, Wasser und Essen ... und OHNE euch!» (hei)