Dieses Video ist der Auslöser für die Regierungskrise
0:57
Polit-Knall in Österreich:Dieses Video ist der Auslöser für die Regierungskrise

Österreichs Kult-Verleger Wolfgang Fellner erklärt den Schweizern sein Land
«Vielleicht hat es mit Hitler zu tun»

Wird am Montag Österreichs Kanzler Sebastian Kurz gestürzt? Der Wiener Kultverleger Wolfgang Fellner erklärt im Interview, weshalb seine Landsleute «b'soffne G'schichten» lieben.
Publiziert: 25.05.2019 um 23:59 Uhr
|
Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:04 Uhr
1/8
«Österreich»-Verleger Wolfgang Fellner: «Österreich ist ein Operetten-Staat.»
Foto: Katharina Stoegmueller
Interview: Reza Rafi

Chaostage in der österreichischen Politik: Eine Videofalle hat FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (49) den Kopf gekostet. Die rechtskonservative Koalition ist Geschichte. Kanzler Sebastian Kurz (32, ÖVP), der vorläufig mit Experten weiterregiert, muss sich am Montag einem Misstrauensvotum des Parlaments stellen: Es hat beste Chancen. Heimlicher Sieger der Krise ist Wolfgang Fellner (64), Verleger der Zeitung «Österreich». Er begleitete das Drama auf seinem Web-TV mit Rekordquoten – und kennt Wiens Politszene bestens.

Sind Sie manchmal neidisch auf die Langeweile der Schweizer Politik?
Wolfgang Fellner: Neidisch nicht. Aber wir verfolgen die Schweizer Politik immer wieder mit grossem Interesse. Manche Entwicklungen, die es bei uns mit der FPÖ gegeben hat, haben bei Ihnen mit Christoph Blocher und der SVP schon früher eingesetzt. Es gibt aber einen Unterschied.

Welchen?
Was die anderen Länder an Dramen haben, wird bei uns zur Operette. Wir sind das Land der Operette. Was hier gerade passiert, ist teilweise so peinlich und absurd, das könnte kein Drehbuchschreiber erfinden.

Vizekanzler HC Strache sinniert auf dem Ibiza-Video über Machtmissbrauch und den Verkauf der «Kronen Zeitung» nach Russland. Wie sehr erschüttert dies das Vertrauen der Wähler?
Sehr, befürchte ich. Politiker werden in Österreich leider kaum noch ernst genommen. Erstens aus Frust und Wut, aber auch weil die Geschichte surreal ist. Das ist schon fast jenseits von Wählerbetrug, das ist einfach verrückt. Am erstaunlichsten ist aber etwas anderes.

Was?
Dass man sich hereinlegen lässt von einer Schauspielerin und einem verurteilten Drogenhändler. Durch ein paar Zusatzfragen hätte man merken müssen, dass das eine Falle ist. Aber Strache und Gudenus haben kaum gefragt, sondern sich nur wichtig gemacht. Das ist die wirkliche Tragödie. Wie kann man als Politiker so blöd sein? Zunächst wurden Geheimdienste wie Mossad oder BND hinter der Aktion vermutet. Mittlerweile wissen wir, dass es die Wiener Unterwelt war.

Was wissen Sie bis jetzt?
Die angebliche Oligarchennichte ist eine russische Schauspielerin und Ehefrau eines Eishockeyspielers, die zufälligerweise Makarov heisst. So konnte sie ihren Pass herzeigen, wo Makarov drinstand. Ihr Begleiter auf Ibiza war verurteilter Drogenhändler. Nach Meinung aller, die ihn kennen, ist der alles andere als eine intellektu­elle Leuchte.

Die FPÖ spricht gern davon, dass die Kampagne aus dem Ausland kam. Könnte ihr das nützen?
Das wird derzeit von FPÖ-Europakandidat Harald Vilimsky ganz gross gespielt. Wie die Wahl ausgehen wird, ist derzeit schwierig abzuschätzen. Es gibt Experten, die sagen, dass die FPÖ gewinnen wird. Weil die Emotion so enorm hoch, weil die Wut so gross ist.

Eine ausländische Kampagne gegen Österreich wegen einer b’soffnen G'schicht!
Die Österreicher sind ja Könige der Bierzelte. Es gibt nirgends so viele Bierzelte im Sommer wie hier. Die Österreicher lieben an und für sich b'soffne G'schichten. Die entschuldigen sie auch, weil sie selber erleben, wie es ist, besoffen zu sein. Deshalb wird das von der FPÖ so stark als b'soffne G'schicht gespielt. Es kann darum beides eintreffen: dass die Österreicher so enttäuscht sind, dass die FPÖ unter 20 Prozent fällt; oder dass die FPÖ-Wähler aus Wut erst recht wählen gehen.

Das Verhältnis Ihres Landes zu Deutschland müssen Sie den Schweizern erklären: Herr Strache war Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft, deren Motto «deutsch, einig, treu» lautet. In der Schweiz ist das kaum vorstellbar.
Na ja, es gibt diese leicht Nazi-angehauchten Burschenschaften, die aus völlig unerfindlichen Gründen nach wie vor vom Deutschen Reich schwärmen. Vielleicht hat es mit Hitler zu tun oder mit der damaligen Grösse, ich weiss es nicht. Die pflegen das Deutschnationale und kritisieren gleichzeitig, wenn Kritik aus Deutschland, aus dem Ausland kommt. Die halten uns für eine deutsche Nation. Das ist der Streitpunkt. Unser Bundespräsident will niemanden angeloben (vereidigen; Red.), der nicht der Meinung ist, dass es eine österreichische Nation gibt.

Am Montag geht es für Sebastian Kurz um alles. Ihre Prognose?
ÖVP und FPÖ gehen mit unglaublichem Hass aufeinander los. Aus diesem Hass he­raus wird die FPÖ einen Misstrauensantrag gegen Sebastian Kurz unterstützen. Nach dieser Wahl wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der Sturz der Regierung Kurz erfolgen.

Und dann?
Dann wird der Bundespräsident einen Experten einsetzen. Möglicherweise unseren ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer. Der soll dann die Regierung zunächst bis zu den Neuwahlen führen.

Ist dies das Ende der Politkar­riere von Sebastian Kurz?
Kurz wird im Herbst hundertprozentig Spitzenkandidat der ÖVP sein. Er rechnet mit einem Riesenerfolg, weil das Land über Monate unregierbar sein wird. Und die Medien werden das schön befeuern, was Österreich international nicht die beste Presse bescheren wird. Kurz geht von einem grossen Comeback bei der nächsten Wahl aus, das sogar in Richtung absolute Mehrheit gehen könnte.

HC Strache gibt sich auffallend kämpferisch. Muss man weiter mit ihm rechnen?
Ganz sicher. Er hat am Freitag früh ein Video gepostet, in dem er sich an die Österreicherinnen und Österreicher wendet. Es fehlt am Schluss nur noch der Hinweis, dass er von seinem Rücktritt zurücktritt. Der kommt sicher wieder.

«Strache würde es nie in den Bundesrat schaffen»
2:22
BLICKPunkt von Christian Dorer:«Strache würde es nie in den Bundesrat schaffen»
Strache: «Keinem Politiker sind Gedankenspiele fremd»
5:02
Erklärung zur Ibiza-Affäre:Strache: «Keinem Politiker sind Gedankenspiele fremd»
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?