Die Wiener Stadthalle am Sonntag. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz (32) steht auf der Bühne und weiss nicht, wie ihm geschieht. Vor ihm strecken Tausende Jesus-Fans auf Anweisung des australischen Predigers Ben Fitzgerald die Arme aus. Dann beginnt die Masse, für ihn zu beten: «Für die Weisheit, die du ihm gegeben hast. Für das Herz.»
Der Aussie-Prediger Fitzgerald fährt anschliessend fort: «Vater, wir danken dir so sehr für diesen Mann. Wir beten und wir danken dir, dass Gerechtigkeit in einer Nation eine Nation aufrichtet. Dass Sünde für alle furchtbar ist. Wir beten, dass du ihm gerechte Führung, riesige Weisheit und viel Schutz gibst.»
Kurz rechtfertigt Besuch bei den Evangelikalen
Sebastian Kurz ist reichlich verdattert. Er ist gerade auf Image-Tour, bereitet sich auf den Wahlkampf für die anstehenden Neuwahlen im Herbst vor. Im Rahmen dessen lässt er auch religiöse Gemeinschaften nicht aus: Er besucht Katholiken, Protestanten, Orthodoxe – und am Sonntag das religiöse Mega-Event «Awakening Austria» mit zehntausend Besuchern. Ein Video des Massen-Gebets für den Ex-Kanzler geht gerade viral. Auf Youtube hat es schon mehr als 100'000 Klicks.
Kurz selbst hat mit dem spontanen Gebet nicht gerechnet. «Wie Sie im Video sehen können, bin ich für meine Verhältnisse auch nicht sehr locker», rechtfertigt sich der junge Ex-Kanzler auf eine Nachfrage von Reportern am Montagmorgen. Der Vorwurf, dass er sich von Hochreligiösen vereinnahmen lasse, prallt an Kurz ab. «Ich kann mir weder Lob noch Kritik aussuchen.»
Wer steckt hinter «Awakening Austria»?
Der Anführer der bibeltreuen Christen, Ben Fitzgerald, hat sich nach einer Drogenkarriere ganz einem Leben mit Gott verschrieben. Im Jahr 2002 will der Missionar Jesus begegnet sein. Die Pfingstkirche «Bethel Church», zu der Fitzgerald gehört, hat ein grosses Ziel: Sie will «Europa zurückerobern».
Als Bewegung «Awakening Europe» sind Fitzgerald und sein Team in Europa aktiv. Auf der Webseite der österreichischen Gruppe, der Fitzgerald vorsteht, heisst es: «Wir wollen, dass die Welt die authentische Natur Gottes sieht. Wir wollen sehen, wie viele Christen befähigt, ausgerüstet und bereit sind!» Durch Festivals wie dem, an dem Sebastian Kurz am Sonntag teilnahm, wollen die Evangelikalen noch mehr Menschen zu Jesus-Fans machen. (kin)