Obwohl Beweise für Tat dürftig waren
Mann (57) sass 17 Jahre unschuldig hinter Gittern

Andrew Malkinson kann endlich aufatmen: Ein Gericht hat bestätigt, dass er eine Vergewaltigung nicht begangen hat – nach jahrelangem Kampf.
Publiziert: 27.07.2023 um 02:50 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2023 um 07:28 Uhr
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Andrew Malkinson wird am Mittwoch von einem Gericht in London endgültig entlastet.
Foto: DUKAS

Es habe sich wie ein Autounfall in Zeitlupe angefühlt, sagt der Brite Andrew Malkinson über die Zeit im Jahr 2003. Damals wird in der Umgebung von Salford, eine Stadt im Nordwesten Englands, eine Frau brutal vergewaltigt. Der Angreifer versucht, sie danach zu töten. Sie wehrt sich, kratzt den Mann im Gesicht. Zwei Augenzeugen sehen den Angreifer, beschreiben ihn später der Polizei.

Zwei Wochen später wird Malkinson zu seinem grossen Erstaunen verhaftet. Er beteuert gegenüber den Ermittlern immer wieder seine Unschuld. Und glaubt, dass sich aufgrund aller Indizien, die für ihn sprechen, der Irrtum schnell in Luft auflöst.

Beweise sind äusserst dürftig

So hat er zum Beispiel überhaupt keine Ähnlichkeit mit dem Mann auf dem Phantombild. Eine Wunde im Gesicht, wo das Opfer gekratzt haben soll, fehlt völlig. Malkinson hat grossflächige Tätowierungen auf den Armen – die aber in keiner Zeugenaussage erwähnt werden. Und: Er hat eine behaarte Brust, im Gegensatz zum Vergewaltiger. Und das wohl allerwichtigste: DNA-Spuren von ihm finden sich keine am Opfer.

Schliesslich willigt er bei einer Gegenüberstellung mit dem Opfer ein. Die Frau identifiziert ihn als Angreifer. «Ich spürte, wie die Welt ... wie der Boden unter mir wegbrach. Ich glaube, ich habe tatsächlich geweint. Ich konnte es nicht glauben», erinnert er sich gegenüber der «BBC».

«Ich war wie gelähmt»

Er wird im Jahr 2003 zu einer lebenslangen Haft verurteilt, sieben Jahre davon muss er mindestens absitzen. «Ich war wie gelähmt. Es ist, als wäre man in einem Autounfall in Zeitlupe. Du fliegst durch die Windschutzscheibe und kannst nichts dagegen tun.»

Nach dem Urteil ruft Malkinson noch im Gerichtssaal verzweifelt, dass er unschuldig sei. Die ersten Monate im Hochsicherheitsknast seien die Hölle gewesen. Und mit der Zeit wird klar, dass er nicht nach sieben Jahren raus darf, weil er auf seiner Unschuld beharrt. Hätte er ein Geständnis abgelegt, wäre er in ein Rehabilitierungsprogramm gekommen und auf Bewährung entlassen worden.

DNA-Spur bringt den Durchbruch

Doch er weigerte sich, ein Geständnis für eine Tat abzulegen, die er nicht begangen hat. Immer wieder versucht er vergeblich, seinen Fall neu aufrollen zu lassen. Und so blieb Malkinson im Knast – 17 Jahre lang. Im Jahr 2020 wird er unter strengen Bewährungsauflagen entlassen.

Schliesslich die Erlösung: Eine Kommission, die sich für unschuldig verurteilte Straftäter einsetzt, dass eine beim Opfer gefundene DNA-Spur nochmal untersucht wird – und landet damit einen Treffer. Ein Mann wird verhaftet, der im Jahr 2012 straffällig geworden war.

Polizei entschuldigt sich

Jetzt hat ein Gericht in London Malkinson endgültig freigesprochen. Die Polizei hat sich bei Malkinson in aller Form entschuldigt, dennoch ist er wütend. «Ich will diejenigen bestraft sehen, die das zu verantworten haben, die mir mein halbes Leben gestohlen haben.»

Malkinson hat die Jahre im Gefängnis nur dank Büchern und Sport überlebt, sagt er. Er lernte stundenlang, verliess das Gefängnis mit einem Uni-Abschluss in Mathe und Physik. «Es hat mich zu einer stärkeren Person gemacht, nur leider auf die falsche Weise. Durch Schmerz und Frustration.» (neo)

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