Boris Johnsons PR-Tour wird zum Reinfall
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Show statt Verhandlungen:Boris Johnsons PR-Tour wird zum Reinfall

«Nur über meine Leiche!»
Johnson macht sich beim Volk unbeliebt

Nach der Schlappe im Parlament und dem Brexit-Debakel sollte eine PR-Aktion das Ansehen des britischen Premiers Boris Johnson (55) wieder heben. Allerdings verläuft der Tag anders, als er sich das vorgestellt hat.
Publiziert: 06.09.2019 um 20:02 Uhr
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Aktualisiert: 09.09.2019 um 11:58 Uhr
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Der britische Premier wird diesen Tag nicht so schnell wieder vergessen. Seine PR-Aktion endete im Desaster.
Foto: AFP
Leutrim Spahija

Der britische Premier Boris Johnson (55) hat eine schwere Zeit hinter sich. Um seine Zustimmung beim Volk zu heben, plante er eine Reise nach Yorkshire im Norden Englands. Die Reise wird zum PR-Debakel.

Im Städtchen Morley, begleitet von einer BBC Moderatorin, spaziert der amtierende Premier durch die Strassen. Er wird von Leuten angesprochen. Gelassen, freundlich und bürgernah lässt er die Menschen auf sich zu kommen. Doch sind die Leute von seinem Besuch alles andere als begeistert. Ein älterer Mann fordert den Premier auf: «Please leave my town!». Zu deutsch: «Bitte verlassen Sie meine Stadt!» Johnson entgegnet dem noch mit einem souveränen: «Das werden wir bald tun.»

Von Johnson-Gegnern wird der ältere Mann jetzt in den sozialen Netzwerken gefeiert. #PleaseLeaveMyTown geht um die Welt.

«Sie spielen Spielchen!»

Der Premier zieht weiter und wird kurz darauf erneut angesprochen. Dieses Mal ist sein Gesprächspartner nicht so gelassen wie der Ältere. Emotional aufgewühlt fragt er den Premier, was er hier denn bloss mache. «Sie sollten in Brüssel sein und verhandeln. Sie spielen Spielchen mit dem britischen Volk!»

Eine klare Antwort kann der Premier darauf nicht formulieren. Im Gegenteil: Er wirkt verängstigt, fast schon blockiert. 

Danach geht es für den britischen Premier weiter nach Wakefield. Dort soll er vor der Polizeiakademie eine Rede halten. Johnson soll bei diesem Anlass seinen Plan vorstellen, wie er 20’000 neue Polizisten einstellen will – für die Sicherheit des Landes versteht sich.

Enttäuschte Polizeikadetten

Dutzende Polizeikadetten erwarten ihn dort. Doch der sonst so kumpelhafte Premier erweist sich als wenig zuverlässig. Er wirkt sogar gleichgültig. Der Premier lässt die Kadetten über eine Stunde lang warten. Als Johnson dann seine Rede hält, kommt eine Kadettin ins Wanken. Er dreht sich, fragt ob alles in Ordnung ist und dreht sich wieder Richtung Publikum, ehe sie ihm eine Antwort geben konnte. Der sonst so souveräne Redner wirkte auch bei seiner Rhetorik unsicher. Er verhaspelt sich. 

Der Polizeiverband kritisiert den Auftritt seines Premiers. «Die Polizeikadetten sehen ja aus, wie seine persönliche Leibgarde.» Aber auch an den Oppositionsführer Jeremy Corbyn (70) richtet der Polizeichef John Robins klare Worte. Die Kadetten seien von beiden als Wahlkampfmarionetten missbraucht worden.

«Nur über meine Leiche!»

Die Fragen der Reporter aber lassen Johnsons Knie erst recht weich werden. Er wird auf seinen Bruder Jo (47) angesprochen, der als Staatsminister erst kürzlich zurücktrat. Eine Reporterin fragt etwa: «Wie kann das Volk ihnen Vertrauen, wenn ihr eigener Bruder Ihnen das Vertrauen entzieht?» Dies versucht er gelassen zu kontern. Beim Brexit würden sich ja viele Familien entzweien. Auf die Frage, ob er in Brüssel um eine Verlängerung der Frist beten wird, kontert er: «Nur über meine Leiche!» Der Reporter hakt nach, ob er also zurücktreten werde. Johnsons Mund verstummt. Anstelle einer Antwort versucht er erneut zu kontern: «Die Opposition soll sich auf Neuwahlen einlassen!»

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

Der Brexit-Fahrplan: Was kommt als nächstes?

Wenige Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens am 31. Oktober geht das Ringen um den Brexit in die heisse Phase. Diese Termine lassen sich absehen:

  • 24. September
    Entscheid des Supreme Courts über die Zwangspause der Parlaments.
     
  • 25. September
    Nach dem höchstrichterlichen Urteil in Grossbritannien gegen die von der Regierung verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments kommen die Abgeordneten früher wieder zusammen.
     
  • Expertengespräche Grossbritanniens mit der EU über Änderungen am Austrittsvertrag in Brüssel.
     
  • 29. September bis 2. Oktober
    Parteitag der regierenden britischen Konservativen in Manchester.
     
  • 15. Oktober
    In Luxemburg wollen die verbliebenen 27 EU-Länder auf Ministerebene über den Brexit beraten
     
  • 17. und 18. Oktober
    EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
     
  • 19. Oktober
    Frist im Gesetz gegen No-Deal-Brexit läuft ab. Sollte bis dahin kein Austrittsabkommen ratifiziert sein, muss der britische Premierminister eine Verschiebung des Brexits beantragen.
     
  • 31. Oktober
    Voraussichtlich letzter Tag der britischen EU-Mitgliedschaft.

(SDA)

 

Wenige Wochen vor dem geplanten EU-Austritt Grossbritanniens am 31. Oktober geht das Ringen um den Brexit in die heisse Phase. Diese Termine lassen sich absehen:

  • 24. September
    Entscheid des Supreme Courts über die Zwangspause der Parlaments.
     
  • 25. September
    Nach dem höchstrichterlichen Urteil in Grossbritannien gegen die von der Regierung verfügte fünfwöchige Zwangspause des Parlaments kommen die Abgeordneten früher wieder zusammen.
     
  • Expertengespräche Grossbritanniens mit der EU über Änderungen am Austrittsvertrag in Brüssel.
     
  • 29. September bis 2. Oktober
    Parteitag der regierenden britischen Konservativen in Manchester.
     
  • 15. Oktober
    In Luxemburg wollen die verbliebenen 27 EU-Länder auf Ministerebene über den Brexit beraten
     
  • 17. und 18. Oktober
    EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs.
     
  • 19. Oktober
    Frist im Gesetz gegen No-Deal-Brexit läuft ab. Sollte bis dahin kein Austrittsabkommen ratifiziert sein, muss der britische Premierminister eine Verschiebung des Brexits beantragen.
     
  • 31. Oktober
    Voraussichtlich letzter Tag der britischen EU-Mitgliedschaft.

(SDA)

 

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