«Notwendig für den Frieden»
Japan wendet sich vom Pazifismus ab

Das japanische Parlament hat nach hitzigen Debatten die umstrittene Reform der Verteidigungspolitik verabschiedet. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg könnten japanische Soldaten ins Ausland entsandt werden.
Publiziert: 18.09.2015 um 19:58 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 12:05 Uhr
Grosserfolg für Premierminister Abe: Er hat sein Prestigeprojekt durch das Parlament gebracht, allen Widerständen zum Trotz.
Foto: Keystone/EPA/KIMIMASA MAYAMA

Japans Streitkräfte dürfen künftig den USA und anderen Verbündeten bei einem feindlichen Angriff militärisch beistehen.

In historischer Abkehr von der Sicherheitspolitik der Nachkriegszeit setzte das Oberhaus des Parlaments in der Nacht zum Samstag (Ortszeit) gegen Massenproteste und erbitterten Widerstand der Opposition neue Sicherheitsgesetze in Kraft.

Für die Reform stimmten nach Angaben von Senatspräsident Masaaki Yamazaki 148 Mitglieder des Oberhauses, dagegen votierten 90. Das Unterhaus hatte dem Gesetz bereits im Juli zugestimmt.

11'000 Menschen protestierten gegen Doktrin

Somit darf Japan fortan das Recht zur «kollektiven Selbstverteidigung» anwenden und in Konflikten an der Seite von Verbündeten kämpfen, selbst wenn es nicht direkt angegriffen wird. Der rechtskonservative Premier Shinzo Abe hat damit eines seiner wichtigsten politischen Ziele erreicht.

In den vergangenen Wochen war es fast täglich zu Massenprotesten gegen die neue Militärdoktrin gekommen. Auch während der entscheidenden Sitzung des Oberhauses gab es eine Kundgebung vor dem Parlament. Am Protest beteiligten sich nach Angaben der Polizei etwa 11'000 Menschen.

Mit allen Mitteln, darunter einer Serie von Misstrauensanträgen gegen Abes Kabinett, versuchte das Oppositionslager bis zur letzten Minute, die Parlamentsabstimmung zu verhindern. Darüber kam es sogar zu Handgreiflichkeiten mit Politikern des Regierungslagers.

«Ihr versucht, das Volk zu täuschen, und das Volk hat es gemerkt. Deswegen sind die Menschen dagegen», rief der wütende Oppositionsparlamentarier Tetsuro Fukuyama in einer letzten leidenschaftlichen Rede in der Nacht dem Regierungslager zu.

Das «gewaltsame» Durchpeitschen der umstrittenen Gesetze sei ein eklatanter Verstoss gegen die pazifistische Nachkriegsverfassung, schrie er mit heiserer Stimme und den Tränen nah. Die Mehrheit im Volk lehnt die Sicherheitsreform laut Umfragen ab.

«Noch nie war Politik dem Volk so nah»

Regierungschef Abe sagte, die Gesetze seien notwendig, um den Frieden zu sichern. Er will vor dem Hintergrund der wachsenden militärischen Macht Chinas das Sicherheitsbündnis mit den USA mithilfe der neuen Militärdoktrin stärken.

Zu diesem Zweck hatte die Regierung des Rechtskonservativen im Juli 2014 eine Neuinterpretation der Verfassung beschlossen, die nach dem Ende des verlorenen Krieges unter Federführung der US-amerikanischen Besatzung erstellt worden war.

Künftig können nun erstmals japanische Soldaten zu Kampfeinsätzen ins Ausland geschickt werden. Zwar beteiligt sich das Militär schon jetzt an internationalen Einsätzen, die Soldaten beschränkten sich dabei aber bislang auf humanitäre und logistische Hilfe.

Oppositionspolitiker Fukuyama sagte nach der Abstimmung: «Zwar haben wir diesen Kampf verloren, aber doch zugleich gewonnen. Denn noch nie habe ich erlebt, dass Politik dem Volk so nah war.» Nun habe der Kampf um die Demokratie im Lande erst richtig begonnen.

Im kommenden Jahr stehen Wahlen zum Oberhaus des Parlaments an. Regierungschef Abe sagte, er werde sich weiter bemühen, dem Volk die Notwendigkeit der neuen Sicherheitsgesetze zu erläutern. (SDA)

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