Die Gangart zwischen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und den USA wird ruppiger: Laut eines Berichts von NBC News soll US-Präsident Donald Trump dem Diktator mit einem Präventivschlag gedroht haben, falls dieser weitere Atomwaffentests durchführen sollte. Dies wurde vom Weissen Haus zwar postwendend dementiert, trotzdem dreht die Eskalationsspirale weiter. Dass Trump den Druck auf das Regime erhöhen möchte, ist unbestritten: Am Donnerstag bezeichnete er Nordkorea als «Problem», das behandelt werde. China solle seinen mässigenden Einfluss ausüben. «Wenn es das nicht kann, werden sich die USA und ihre Verbündeten darum kümmern», so Trump.
Testet Nordkorea weiter?
Nordkorea scheint das Säbelrasseln in Washington nicht zu beeindrucken: Satellitenbilder zeigen eine erhöhte Aktivität auf dem Atomtestgelände von Punggye-ri. Dazu kommt, dass Kim zum Geburtstag seines Grossvaters und Staatsgründers Kim Il Sung bereits ein grosses «Ereignis» angekündigt hat. Einige Beobachter rechnen mit einem unmittelbar bevorstehenden Atombombentest.
Nordkorea-Experte Rüdiger Frank (48) beantwortet im Interview mit BLICK die wichtigsten Fragen zum sich zuspitzenden Konflikt. Frank doziert als Kommunismuskenner und Wirtschaftsprofessor an der Korea University in Seoul. Seit Jahren verfasst er auch Bücher zum Thema Nordkorea.
BLICK: Herr Frank, laut eines Berichts des Fernsehsenders NBC behalten sich die USA einen Präventivschlag gegen Nordkorea vor. Drohgebärde oder realistisches Szenario?
Rüdiger Frank: Normalerweise würde ich das als Drohgebärde einstufen, aber mit Donald Trump als neuem Präsidenten ist das schwer einzuschätzen. Übrigens gab es solche Pläne schon unter Bill Clinton Anfang der 90er-Jahre.
Donald Trump wurde in den letzten Tagen aussenpolitisch deutlich aktiver. In Syrien übte er Vergeltung für einen Giftgasangriff, in Afghanistan warf er eine Megabombe ab. Was kann dies für den Koreakonflikt bedeuten?
In und um Korea wird seit vielen Jahren ein gefährlicher Tanz auf Messers Schneide aufgeführt. Solange beide Seiten die Spielregeln kennen und einhalten, ist das Risiko zwar gross, aber kontrollierbar. Trump ist neu im Geschäft und von Beratern umgeben, die teils ebenso unerfahren sind. Das könnte zu Fehleinschätzungen auf beiden Seiten und damit auch zu einer Eskalation bis hin zum Krieg führen. Wenn Kim Jong Un annehmen muss, dass die Amerikaner ihn ausschalten wollen, hätte er nichts mehr zu verlieren. Er könnte noch seine Waffen einsetzen, bevor sie zerstört werden.
Am Samstag feiert Nordkorea den Geburtstag von Staatsgründer Kim Il Sung. Dazu wurde vom Regime offenbar ein grösseres Ereignis angekündigt. Drohen neuerliche Atombombentests?
Man kann nichts ausschliessen, aber das wäre eigentlich unüblich. Tests hängen von vielen Faktoren ab, die kann man nicht auf den Tag genau planen. Ausserdem hat genau am 15. April noch nie ein Test stattgefunden, da wird in Nordkorea gefeiert. Üblicherweise testet man vorher. Denkbar wäre ferner ein neuer Satellitenstart. Vieles spricht auch dafür, dass das «grosse Event» innenpolitischer Natur sein wird.
Die Armee Nordkoreas umfasst Millionen von Soldaten, gilt aber als technisch veraltet. Wie stark ist Kim Jong Un wirklich?
Dazu habe ich keine Erkenntnisse. Klar ist aber, dass ein Bodenkrieg in Nordkorea für einen Angreifer wegen der gut ausgebauten Verteidigungsstellungen und der zahlenmässig grossen Armee Nordkoreas sehr schmerzhaft werden dürfte. Das würden die USA dann allerdings den Südkoreanern überlassen. Diese Option steigert die Kriegsbereitschaft in Washington, da man kaum eigene Tote befürchten muss. Grundsätzlich ist die Entwicklung des Atomwaffenprogramms in Nordkorea das offizielle Eingeständnis, dem Westen im konventionellen Bereich nicht viel entgegensetzen zu können. Darum will Pjöngjang mit dieser wirtschaftlich und politisch sehr kostspieligen Form der Abschreckung einen Angriff verhindern.