Bei manch einem Politiker werden Kabeljau und Kartoffeln auf dem Teller kalt geworden sein, als sich die 28 Staats- und Regierungschefs der EU gestern Abend in Brüssel zum «Working Dinner» versammelten. Geschlagene sechseinhalb Stunden dauerte das Znacht, in dessen Rahmen der Europäische Rat über die Flüchtlingskrise diskutierte.
Es soll laut geworden sein, schreibt «Spiegel.de». Insbesondere der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann musste harsche Kritik einstecken, weil seine Regierung diese Woche beschlossen hatte, Tageskontingente für Flüchtlinge einzuführen – aus EU-Sicht ein klarer Rechtsbruch.
Auch der deutschen Amtskollegin Angela Merkel dürfte der Appetit vergangen sein. Mit dem Ziel, bei der Umsetzung des Aktionsplans EU-Türkei einen Schritt weiter zu kommen, war sie nach Brüssel gereist. Doch nach der Absage des türkischen Premiers aufgrund des Anschlags in Ankara war das Sondertreffen, das im Vorfeld des Gipfels hätte stattfinden sollen, geplatzt und heute Morgen auf Anfang März verschoben worden.
Statt konkreten Beschlüssen und verbindlichen Zeitplan blieb es weitgehend bei der Formulierung grober Ziele wie der «substantiellen und nachhaltigen Reduktion der Anzahl illegaler Grenzübertritte» und Beteuerungen, an bereits beschlossenen Massnahmen wie der Verteilung von Flüchtlingen oder den Hotspots in Italien und Griechenland festzuhalten. Weshalb die «Bild» heute titelte: «War das alles, Frau Merkel?»
«Etwas Fortschritt», aber kein Deal
Auch bei dem Haupttraktandum, der Einigung auf ein Reformpaket zur Verhinderung eines Brexit, sind Staatschefs und Unterhändler bislang kaum weitergekommen. Der britische Premier David Cameron hatte die ganze Nacht hindurch bilaterale Gespräche geführt. Es habe «etwas Fortschritt» gegeben, sagte der Ministerpräsident am Morgen zu Reportern. Einen Deal gebe es aber noch nicht, weshalb die Verhandlungen weitergingen.
Aus dem geplanten «English Breakfast» am Morgen wurde in der Folge nichts, es wurde kurzerhand in «English Lunch» unbenannt und mehrfach verschoben – von 11 Uhr auf 13.30 Uhr und schliesslich auf 14.30 Uhr.
Bis dahin gilt es, noch zahlreiche Streitpunkte zu klären. Bedenken hatten vor allem Frankreich, Belgien und die osteuropäischen Staaten bei bestimmten Forderungen geäussert. Cameron will mit dem Reformpaket im Rücken bei einem Referendum in seinem Land für den Verbleib des Königreichs in der EU werben. Frühster Abstimmungstermin für die Volksabstimmung ist kommender Juni. (lha/SDA)