Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu kommentierte die Parlamentswahlen in den Niederlanden so: «Zwischen den Sozialdemokraten und dem Faschisten (Geert) Wilders besteht überhaupt kein Unterschied, alle denken gleich.» Er kündigte zudem weitere Schritte gegen die Niederlande an.
Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU sind wegen der Absage von Wahlkampfauftritten türkischer Minister angespannt. Zum Eklat kam es vergangenes Wochenende, als die Niederlande die Einreise Cavusoglus sowie einen Auftritt der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya in Rotterdam verhinderte.
Cavusoglu warnte gar vor einem Glaubenskrieg in Europa. «Ihr führt Europa einem Abgrund entgegen», sagte er im südtürkischen Antalya nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. «Bald könnten in Europa auch Religionskriege beginnen, und sie werden beginnen.»
Ganz anders hörten sich die Reaktionen aus den meisten europäischen Ländern an. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker etwa sieht im Wahlergebnis eine Inspiration für viele Menschen.
Die Niederländer hätten mit überwältigender Mehrheit für die europäischen Werte gestimmt, nämlich für eine freie und tolerante Gesellschaft in einem erfolgreichen Europa, schreibt er in einem auf Twitter veröffentlichten Brief an Wahlsieger Mark Rutte.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte in Berlin, sie habe sich sehr gefreut, «dass eine hohe Wahlbeteiligung zu einem sehr proeuropäischen Ergebnis geführt hat». Sie sprach von einem klaren Signal, «und das nach Tagen, in denen die Niederlande Anwürfe und Vorwürfe zu ertragen hatten, die aus der Türkei kamen, die völlig inakzeptabel sind». Merkel zog das Fazit: «Ich glaube, das war ein guter Tag für die Demokratie.»
Frankreichs Präsident François Hollande feierte den Wahlerfolg Ruttes als «klaren Sieg gegen den Extremismus». Die Werte der Offenheit, des Respekts gegenüber anderen und des Glaubens an Europa seien die einzige Antwort auf Nationalismus und Abschottung, teilte der Pariser Élyséepalast mit.
Auch die meisten französischen Präsidentschaftskandidaten waren erleichtert - sie hatten befürchtet, dass ein Wahlsieg von Wilders' PVV auch Auswirkungen auf die Wahlen in Frankreich haben könnte.
«Die Niederlande zeigen uns, dass der Durchbruch der extremen Rechten keine Fatalität ist und dass die europäischen Progressisten stärker werden», schrieb der unabhängige Bewerber Emmanuel Macron auf seinem Twitter-Account.
Der konservative Kandidat François Fillon schrieb, wenn die politische Rechte und die Mitte ein klares Programm hätten und ihre Werte verteidigten, seien sie «das beste Bollwerk gegen den Populismus und den Extremismus».
Die rechtspopulistischen Parteien hingegen verwiesen auf die Mandatsgewinne ihrer niederländischen Schwesterpartei. Der Generalsekretär des französischen Front National, Nicolas Bay, äusserte sich ermutigt von Wilders' Wahlergebnis. Wilders habe Sitze dazugewonnen und dies sei «wirklich ein Erfolg», sagte Bay im Radio.
Die ausländerfeindliche italienische Oppositionspartei Lega Nord begrüsste den Stimmenzuwachs für die Rechtspopulisten. «Wilders' Partei ist zur zweitstärksten Gruppierung des Landes aufgerückt, während die Sozialisten zusammengebrochen sind», sagte Lega-Nord-Chef Matteo Salvini. «Europa zu erneuern, die Beschäftigung anzukurbeln und die Migranten-Invasion zu stoppen: Gute Ideen finden Anklang.»
Auch die FPÖ in Österreich sieht sich in ihrem europakritischen Kurs bestätigt. Die etablierten Parteien hätten deutlich an Stimmen verloren, sagte FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky in Wien. Sie versuchten nun, die Niederlage schönzureden. «Sieger sehen anders aus», sagte er. Der Gewinner der Wahl sei eindeutig PVV-Chef Geert Wilders. «Alles andere ist Realitätsverweigerung.»
Ruttes rechtsliberale Partei VVD hatte die Wahlen vom Mittwoch überraschend klar für sich entscheiden können. Nach Auszählung fast aller Stimmen erlangte sie 33 der 150 Sitze im Parlament. Wilders erreichte 20 Mandate; bisher hatte sie deren 15.
Die konservative CDA und die zentristische D66 kamen mit jeweils 19 Mandaten auf den dritten Platz. Starke Gewinne verbuchten die Grünen, die auf 14 Mandate kamen, nach vier Sitzen zuvor.
Einen dramatischen Einbruch verbuchte der bisherige Koalitionspartner Ruttes, die Arbeiterpartei (PvdA). Sie verlor 29 Sitze und wird voraussichtlich nur noch mit neun Abgeordneten vertreten sein. Die Polarisierung im Wahlkampf führte zu einem Anstieg der Wahlbeteiligung auf 78 Prozent, den höchsten Wert seit 30 Jahren.
Die Regierungsbildung dürfte allerdings kompliziert werden, da mehr als ein Dutzend Parteien ins neue Parlament einziehen könnten. Rutte wird drei weitere Parteien ins Boot holen müssen, um eine mehrheitsfähige Koalition zu bilden. Ein Bündnis mit Wilders haben die wichtigsten anderen Parteien ausgeschlossen.