Eine Mehrheit der Parlamentskammer stimmte am Dienstag dafür, den republikanischen Vorsitzenden, Kevin McCarthy (58), aus dem Amt zu entfernen. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses kommt in der staatlichen Reihenfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.
Wie lief die Abstimmung?
Angeführt vom republikanischen Hardliner Matt Gaetz (41) stimmten mehrere weitere Republikaner dafür, McCarthy zu entmachten. Die Demokraten in der Kammer wiederum verzichteten darauf, McCarthy zu Hilfe zu kommen und votierten gegen ihn. Die Republikaner haben eigentlich das Sagen in der Kammer, aber nur mit ganz knappem Vorsprung. Durch die Zahl der internen Revoltierenden in den eigenen Reihen kam damit eine knappe Mehrheit gegen McCarthy zustande.
Wer ist der Rädelsführer gegen McCarthy?
Matt Gaetz hatte am Montagabend einen Antrag auf McCarthys Absetzung ins Repräsentantenhaus eingebracht. Der 41-Jährige warf McCarthy unter anderem vor, er mache gemeinsame Sache mit dem demokratischen Präsidenten Joe Biden, statt für die republikanische Fraktion zu arbeiten. Anlass ist der Haushaltsstreit in den USA.
Gaetz gehört seit geraumer Zeit zu den erbittertsten Gegnern McCarthys. Er vertritt rechte Positionen und verbreitet regelmässig Verschwörungstheorien. Er steht stramm an der Seite von Ex-Präsident Donald Trump (77) und sagte mit Blick auf die Revolte, er betreibe lediglich «Hausputz» für die Zeit, wenn Trump an die Spitze der Regierung zurückkehre. Mit seiner Rebellion bekam Gaetz am Dienstag die ganz grosse Bühne. Diverse Male meldete er sich bei der Debatte im Parlament zu Wort und scharte vor und nach der Abstimmung Dutzende Reporter um sich. Er ist das Gesicht der Rebellion.
Gaetz störte sich daran, dass McCarthy am vergangenen Wochenende mit den Stimmen von Demokraten einen drohenden Stillstand der Regierung im letzten Moment abwendete. Der Kongress hatte am Samstag einen Übergangshaushalt bis Mitte November verabschiedet. Er beschuldigte McCarthy aber auch, gegen mehrere fraktionsinterne Absprachen verstossen zu haben – ihm sei daher nicht zu trauen.
Warum ist die Absetzung historisch?
Da die Parlamentskammer ihren Vorsitzenden selbst wählt, ist sie auch das einzige Gremium, das ihn wieder aus dem Amt verdrängen kann – auf Antrag aus den Reihen der Abgeordneten. Nie zuvor hat ein Vorsitzender der Kammer allerdings auf diesem Weg seinen Posten verloren. In der Geschichte des Kongresses gab es zuvor auch überhaupt erst ein einziges Mal eine Abstimmung im Plenum des Repräsentantenhauses über einen Antrag auf Absetzung des Vorsitzenden. Das war vor mehr als hundert Jahren: 1910.
Was hat die Absetzung für Folgen?
Die Kongresskammer ist nun vorerst lahm gelegt. Bis die Personalie geklärt ist, liegt alle restliche gesetzgeberische Arbeit auf Eis. Das parlamentarische Chaos fällt mitten in eine Zeit, in der der Kongress unter anderem einen Bundeshaushalt verabschieden muss, da der Übergangshaushalt Mitte November ausläuft. Ist bis zu der Frist kein neues Budget verabschiedet, steuern die USA einmal mehr auf einen vorübergehenden Stillstand der Regierungsgeschäfte zu, einen «Shutdown».
Das US-Parlament hat ausserdem über neue Hilfen für die Ukraine zu entscheiden. In dem am Wochenende verabschiedeten Übergangshaushalt sind keine weiteren Hilfen für das von Russland angegriffene Land vorgesehen. Das heisst nicht, dass die USA die Ukraine von jetzt auf gleich nicht mehr unterstützen. Allerdings geht das bisher genehmigte Geld zur Neige, neue Mittel müssen her. Die parteiinternen Kämpfe bei den US-Republikanern haben daher auch internationale Auswirkungen.
Wer tritt die Nachfolge von McCarthy an – und wann?
Eine mögliche Nachfolgerin oder Nachfolger ist derzeit nicht auszumachen. Beide Parteien werden nun zu Treffen zusammenkommen, um zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Beide Parteien werden schliesslich eine Person für den Vorsitz nominieren. McCarthy hat bereits verkündet, dass er nicht mehr antreten werde. Auch Gaetz versicherte, er habe keine Ambitionen, selbst zu kandidieren – er wäre auch nicht mehrheitsfähig. In einer extrem zersplitterten Fraktion ist generell unklar, wer genug Parteikollegen hinter sich vereinen kann. Mehrere Namen gehen um: darunter die bisherige republikanische Nummer zwei in der Kammer, Steve Scalise (57).
Mögliche Nachfolgekandidaten sollen nun ein paar Tage Zeit bekommen, ihre Ambitionen öffentlich zu machen und in den eigenen Reihen um Stimmen zu werben. Am Dienstag in einer Woche sollen die Republikaner laut Gaetz dann erneut zu einer internen Runde zusammenkommen, in denen sich potenzielle Nachfolger vorstellen können. Erst danach solle im Plenum eine Wahl angesetzt werden. Als erster möglicher Termin wird der 11. Oktober genannt.
Wie reagierte der abgesägte McCarthy?
McCarthy ging mit dem revoltierenden Flügel hart ins Gericht – und sprach ihnen gar ab, Konservative zu sein. «Sie haben gegen eine der grössten Kürzungen der Geschichte gestimmt, sie haben gegen die Grenzsicherung gestimmt», schimpfte McCarthy in einer kurzen Rede. «Sie sind wütend und sie sind chaotisch. Das sind keine Konservativen, und sie dürfen sich nicht als Konservative bezeichnen.» (SDA/neo)