Neuwahlen in Griechenland – was jetzt?
BLICK erklärt den Tsipras-Rücktritt

Gestern Abend hat der griechische Regierungschef Alexis Tsipras in einer TV-Rede seinen Rücktritt verkündet. Es gibt Neuwahlen – und der Syriza-Chef tritt wieder an.
Publiziert: 21.08.2015 um 10:47 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 00:13 Uhr
Tsipras gibt am TV seinen Rücktritt bekannt.
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:Alexis Tsipras gibt seinen Rücktritt bekannt
Von Georg Nopper

Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras (41) hat gestern Abend bei einer Erklärung im Fernsehen seinen Rücktritt bekanntgegeben. Damit macht er den Weg frei für Neuwahlen. Sie sollen am 20. September stattfinden. «Nun muss das griechische Volk entscheiden», sagte Tsipras in seiner Rede. Gleichzeitig zog der Politiker der linken Syriza-Partei Bilanz über seine nur siebenmonatige Amtszeit. Dass das Hilfsprogramm des Euro-Rettungsfonds unter Dach und Fach ist, bezeichnete Tsipras als «Ende einer schwierigen Phase». «Ich möchte ganz ehrlich sein», sagte er. Man habe bei den Verhandlungen über das Hilfspaket «nicht das erreicht, was wir erreichen wollten». Aber man habe auch nicht mit so viel Widerstand gerechnet.

Warum tritt Tsipras zurück?

Bei der Abstimmung am ver­gangenen Freitag in Athen über das dritte Hilfspaket und die damit verbundenen Reform- und Sparvorgaben zeigten sich tiefe Risse in der Regierungskoalition. 43 der 149 Syriza-Abgeordneten stimmten gegen die Vorlage, die Tsipras mit den Geldgebern ausgehandelt hatte. Der Premier war somit auf die Stimmen der Opposition angewiesen. In den Augen des linken Flügels von Syriza hatte Tsipras die Wähler betrogen, als er sich den Forderungen der Geldgeber beugte. Tsipras will jetzt einen klaren Auftrag des Volkes, dass er weitermachen soll.

Was passiert mit seiner Partei Syriza?

Sie spaltet sich auf. 25 Abgeordnete des linken Flügels haben sich von der Partei abgetrennt und eine eigenständige Parlamentsgruppe gebildet, wie das Parlamentspräsidium heute mitteilt. Chef der Gruppe wird der Anführer des bisherigen linken Flügels der Syriza-Partei, Panagiotis Lafazanis (63). Der Name der eigenständigen Fraktion ist Volkseinheit (LAE). Die neue Fraktion ist die drittstärkste Kraft im Parlament – nach der Syriza-Partei mit neu nur noch 124 Parlamentariern und der konservativen Nea Dimokratia (ND) mit 76 Abgeordneten. Die abtrünnigen Abgeordneten wollen rasch auch eine neue Linkspartei unter dem gleichen Namen (Volkseinheit) gründen.

Will Tsipras nochmals Ministerpräsident werden?

Der Regierungschef stellte bei seiner gestrigen Rede klar, dass er sich wieder zur Verfügung stellt: «Wir werden weiterhin versuchen, unsere Souveränität gegenüber den Geldgebern zurückzugewinnen.»

Wie stehen die Chancen für eine Wiederwahl?

Bei einer Umfrage von Ende Juli beurteilten über 60 Prozent der Befragten Tsipras positiv. Hätten zu diesem Zeitpunkt Neuwahlen stattgefunden, so hätten knapp 34 Prozent ihre Stimme Syriza gegeben. Mit einem solchen Ergebnis wäre die Partei erneut mit Abstand die stärkste Kraft. Was Tsipras fürchten muss: Seine Popularität könnte leiden, wenn der Sparkurs und die Steuererhöhungen spürbar werden. Aus diesem Grund wurden die Neuwahlen vermutlich absichtlich kurzfristig angesetzt. Die Abrünnigen in seiner Partei dürften Tsipras zudem Stimmen kosten.

Was passiert in der Zwischenzeit?

Tsipras musste seinen Rücktritt bei Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos (65) einreichen. Dieser muss nun mit den anderen Parteien sprechen und erörtern, ob diese eine neue Regierung bilden können. Der Chef der grössten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Evangelos Meimarakis (61), trifft heute den Staatspräsidenten. Er soll das Mandat für die Regierungsbildung erhalten. Bedenkt man die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, erscheint es jedoch als unwahrscheinlich, dass Meimarakis eine mehrheitsfähige Koalition bilden kann. Bis zu den Neuwahlen bekommt Griechenland deshalb eine Übergangsregierung.

Fliessen die Hilfsgelder weiter?

Griechenland hat die Zusage für insgesamt 86 Milliarden Euro im Rahmen des dritten Hilfprogramms. Am Mittwoch wurde die erste Tranche überwiesen. Die Gelder fliessen unabhängig davon, wer in Athen das Sagen hat.

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