Arabische Länder beginnen Boykott gegen Frankreich
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Terror in Frankreich:«Die Schule ist zur Kampfzone geworden»

Neuauflage des Karikaturen-Streits nach Lehrer-Enthauptung in Paris
Arabische Länder beginnen Boykott gegen Frankreich

Nach Äusserungen von Frankreichs Präsident Macron bahnt sich ein neuer Streit um Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed an. Mehrere arabische Länder begannen am Sonntag einen Boykott gegen Frankreich. Der türkische Präsident Erdogan bezeichnet Macron als krank.
Publiziert: 26.10.2020 um 04:00 Uhr
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Aktualisiert: 01.11.2020 um 23:21 Uhr
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Die arabische Welt denunziert den französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Foto: Keystone

Zwischen Frankreich und der arabischen Welt bahnt sich eine Neuauflage des Streits um Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed an. Mehrere arabische Länder haben am Sonntag einen Boykott gegen Frankreich begonnen. Die arabische Welt erachtet dabei religiöse Werte als wichtiger als die Enthauptung unlängst von einem französischen Lehrer durch einen radikalen Islamisten. Der Lehrer hatte im Unterricht Mohammed-Karikaturen gezeigt und war auf offener Strasse enthauptet worden. Die islamische Tradition verbietet es, den Propheten abzubilden.

Unter keinen Umständen, so heisst es, könne die Meinungsfreiheit eine Beleidigung des Islams rechtfertigen. Davon scheint der französische Präsident Emmanuel Macron (42) wenig zu halten. Stattdessen bietet er «Tyrannei und Fanatismus» die Stirn. Schon am Mittwoch hatte Macron Meinungsfreiheit verteidigt und sich auf die Seite derjenigen gestellt, die Karikaturen zeigen oder veröffentlichen wollen. Frankreich werde nicht «auf Karikaturen und Zeichnungen verzichten, auch wenn andere sich davon zurückziehen», sagte Macron bei einer Gedenkfeier zu Ehren des getöteten Lehrers Samuel Paty.

Macron verteidigte am Sonntagabend seine Position zur Meinungsfreiheit auf Twitter. Hassrede werde nicht akzeptiert und die vernünftige Debatte verteidigt. «Wir werden immer auf der Seite der Menschenwürde und der Grundwerte stehen.» Macron verbreitete die Botschaft auch auf Arabisch und Englisch. «Unsere Geschichte ist die des Kampfes gegen Tyrannei und Fanatismus. Wir werden weitermachen», schrieb er dazu noch auf Französisch.

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Erdogans verbale Entgleisung

Jetzt haben Händler in Jordanien, Kuwait und Katar französische Waren aus ihren Filialen genommen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (66) holte zudem zu einer verbalen Attacke gegen Macron aus. Er warf dem französischen Präsidenten Islamfeindlichkeit vor, zweifelte an dessen geistiger Gesundheit und bezeichnete Macron unter anderem als Krankheitsfall, der sich untersuchen lassen müsse.

«Was für ein Problem hat diese Person namens Macron mit dem Islam und Muslimen?», fragte Erdogan bei einer Veranstaltung am Samstag. Macron gehöre in psychologische Behandlung, fügte der türkische Präsident hinzu. Sein französischer Amtskollege verstehe die Glaubensfreiheit nicht. Bei derselben Veranstaltung hatte Erdogan auch eine Polizeirazzia in einer Berliner Moschee am Mittwoch wegen Verdachts auf Corona-Subventionsbetrug als islamfeindlich bezeichnet.

Verbalattacken Erdogans gegen Macron sind nicht neu. Im vergangenen November hatte der türkische Präsident schon einmal die psychische Gesundheit des Franzosen in Frage gestellt. Damals hatte Macron dem Verteidigungsbündnis Nato den «Hirntod» attestiert. Erdogan sagte anschliessend, Macron solle besser seinen eigenen Hirntod untersuchen lassen.

Frankreich fordert Ende des Boykotts

Paris rief aus Protest seinen Botschafter aus Ankara zurück – eine Aktion, die es zuvor noch nie gegeben hat, wie Élysée-Kreise bestätigten. Mohammed-Karikaturen hatten schon mehrfach gewaltsame Proteste in der islamischen Welt ausgelöst. Die Beziehungen zwischen der muslimischen Welt und Frankreich könnten sich verschlechtern. Der verbale Angriff Erdogans gegen Macron verschärft zudem die bilateralen Spannungen zwischen den Nato-Partnern Türkei und Frankreich, die ohnehin schon bei zahlreichen Themen über Kreuz liegen.

Frankreich forderte ein sofortiges Ende der Boykottaufrufe. Diese würden die von Frankreich verteidigten Positionen zugunsten der Gewissens-, Meinungs- und Religionsfreiheit sowie der Ablehnung jeglichen Aufrufs zum Hass verzerren, hiess es am Sonntag in einer Mitteilung des Aussenministeriums. Die Aussagen würden von einer radikalen Minderheit instrumentalisiert und politisiert.

Die einflussreiche Al-Azhar-Lehranstalt in Kairo warnte angesichts der Äusserungen Macrons vor einer Kampagne gegen den Islam. In Kuwait erklärten 50 Konsumgenossenschaften der Zeitung «Al-Kabas» zufolge, dass sie alle französischen Waren aus ihren Filialen entfernt hätten. Auch in Katar erklärten Supermarkt-Ketten, dass sie französische Waren bis auf Weiteres aus ihren Regalen nehmen werden. In sozialen Netzwerken waren Videos zu sehen, wie Mitarbeiter eines Supermarkts in Jordaniens Hauptstadt Amman französische Milchprodukte aus dem Kühlregal räumen. Nutzer verbreiteten im Internet die Namen französischer Marken und riefen zum Boykott auf, auch entsprechende Hashtags machten die Runde.

Déjà vu

Anfang 2006 waren bei gewaltsamen Protesten gegen Mohammed-Karikaturen mehr als 150 Menschen ums Leben gekommen. Auslöser waren damals Karikaturen der dänischen Zeitung «Jyllands-Posten». 2015 starben bei einem Attentat auf das französische Satiremagazin «Charlie Hebdo», das ebenfalls Karikaturen des Propheten gezeigt hatte, zwölf Menschen. Für strenggläubige Muslime sind Filme oder Bilder, die den Propheten Mohammed als Person zeigen, anstössig und eine Form der Gotteslästerung.

Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) verurteilte die Veröffentlichung satirischer Karikaturen, die den Propheten zeigen. Solch ein Verhalten «beschädige die muslimisch-französischen Beziehungen». Der Grossimam von Kairo, Ahmed al-Tajib, sprach von einer systematischen Kampagne, die den Islam in politische Kämpfe drängen solle. Das jordanische Aussenministerium erklärte, dass die Veröffentlichungen die Gefühle von Muslimen verletzten. Das marokkanische Aussenministerium verurteilte in einer Stellungnahme die weitere Veröffentlichung der «abscheulichen Karikaturen». Unter keinen Umständen könne die Meinungsfreiheit eine Beleidigung des Islams rechtfertigen.

Pakistans Premierminister Imran Khan (68) warf Macron in einer Reihe von Tweets Islamophobie vor. «Präsident Macron hat die Gefühle von Millionen von Muslimen in Europa und auf der ganzen Welt angegriffen und verletzt», schrieb er zudem. Khan forderte zudem ein Verbot islamophober Inhalte auf Facebook. Die Regierung in Islamabad veröffentlichte am Sonntagabend einen entsprechenden Brief, der an Firmengründer und Chef Mark Zuckerberg (36) gerichtet war.

Frankreich vermisst islamische Empörung über Lehrer-Enthauptung

Es gebe den Willen, Hass gegen Frankreich zu schüren, erklärte Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian (73). Dieser sei auch in den direkten Beleidigungen gegen Macron von «höchster Ebene des türkischen Staates» zum Ausdruck gekommen. Paris kritisierte zudem, von türkischer Seite habe es keine offizielle Verurteilung der Tötung des Lehrers oder Solidarität für Frankreich gegeben.

Die Türkei wies den Vorwurf am Sonntagabend zurück. Der türkische Botschafter in Paris habe sein Bedauern ausgedrückt, hiess es in einer Erklärung des Aussenministeriums. Die Türkei bedauere den «Mord» des Lehrers «als ein Land, das seit Jahren gegen jede Art von Terrorismus und Gewalt kämpft» so wie den von Opfern ähnlicher Ereignisse, hiess es. (kes/SDA)


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