Her Ratschiller, was löst die Nachricht über das Attentat in Paris bei Ihnen aus?
Marco Ratschiller: Tiefe Betroffenheit. Die Nachricht ist schockierend, ich habe lange ungläubig auf die Newsticker geschaut, obwohl ich keine persönlichen Kontakte zu «Charlie Hebdo» habe. Ein schwarzer Tag für die Satire und die Pressefreiheit.
Macht man sich Gedanken über die eigene Arbeit?
Unmittelbar ändert sich wohl nichts für unsere Arbeit. Wir stehen mit unserem Magazin in einer anderen Satire-Tradition, welche die Themen - ohne sie auszublenden - sicher anders, subtiler oder hintergründiger angeht.
In welcher Form haben Sie beim «Nebelspalter» schon Bedrohungen erlebt?
In den zehn Jahren meiner Arbeit hier habe ich noch keine Bedrohung erlebt. Natürlich wollen immer mal wieder einzelne Beiträge mit Klagen eindecken, aber da kommt es selten zum Äussersten, wenn der Klagewillige einsieht, dass er sich mit so einem Schritt nur nochmals für seine Humorlosigkeit in die Schlagzeilen bringt.
Wie heikel ist das Thema Religion?
Die christlichen Religionen bieten kaum mehr Konfliktpotenzial. Anders ist es im Umgang mit dem Islam. Unser Redaktionsstatut schreibt aber vor, dass wir uns nicht «einfach so zum Spass Nichtgläubiger» über religiöse Gefühle lustig machen dürfen. Wir klinken uns immer da ein, wo Religion gesellschaftspolitische Relevanz hat und eine echte Debatte geführt und notwendig ist.
Wie wirkt sich der schreckliche Vorfall in Paris auf Ihre Arbeit aus?
Das ist zum jetzigen Zeitpunkt zwar schwer abzuschätzen, aber das Ziel sollte sein, dass sich an unserer Arbeit nichts ändert. Die Meinungs- und Pressefreiheit ist ein Gut, für das Europa lange und opferreich gekämpft hat. Das darf jetzt bestimmt nicht leichtfertig aufgegeben werden, indem am Ende Opfer zu Tätern gemacht werden. Was hier angegriffen worden ist, ist nicht die künstlerische Freiheit einzelner Satiriker, sondern die Grundfreiheit von uns allen.
Was darf Satire und was nicht?
Satire soll alles dürfen, was sie braucht, um ihr Ziel zu erreichen: Ihre Leser, Zuschauer oder Hörer unterhalten oder in Bann ziehen, und gleichzeitig neue, überraschende Einsichten oder Denkanstösse vermitteln. Wenn sie aber primär ärgert oder verletzt, wird sie ihr Ziel wohl kaum erreichen.