Heute tagte in Deutschland erstmals das Parlament in neuer Zusammensetzung. Erstmals mit dabei: Die 92 Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD). Und schon gab es zwischen den Rechtspopulisten und den restlichen fünf Fraktionen heftigen Stunk.
Schlusspunkt war die Ablehnung des AfD-Kandidaten Albrecht Glaser (75) für das Bundestags-Vizepräsidium. Er fiel in drei Wahlgängen durch. Für den Juristen stimmten in der konstituierenden Sitzung des Parlaments im ersten Wahlgang 115 und im zweiten 123 Abgeordnete. Damit verfehlt er die absolute Mehrheit der insgesamt 709 Abgeordneten von 355 Ja-Stimmen deutlich.
Damit bleibt der Sitz der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) im siebenköpfigen Präsidium des Bundestages, in dem eigentlich alle Bundestagsfraktionen vertreten sein sollten, zunächst unbesetzt.
Zuvor hatten die Abgeordneten mit grosser Mehrheit den bisherigen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum neuen Parlamentspräsidenten gewählt. Allerdings erhielt er nur 71,2 Prozent der Stimmen. Neben der AfD votierten Abgeordnete mindestens einer anderen Fraktion gegen Schäuble.
Die AfD hatte bereits vor der konstituierenden Sitzung angekündigt, Schäuble nicht zum Präsidenten wählen zu wollen - unter anderem, weil der CDU-Politiker sie als «Schande für Deutschland» bezeichnet hatte.
Nazi-Vergleich in der ersten Rede
Auch auf einem Nebenschauplatz sorgte die AfD für rote Köpfe: Bei der ersten Bundestagsrede der Partei zog der AfD-Politiker Bernd Baumann einen geschmacklosen Nazi-Vergleich.
Baumann kritisierte, dass diesmal nicht wie bisher der älteste Abgeordnete Alterspräsident wurde. «Nur 1933 hat Hermann Göring die Regel gebrochen, weil er den politischen Gegner ausgrenzen wollte», sagte Baumann. «Wollen sie sich auf solch schiefe Bahn begeben? Kommen sie zurück auf die Linie der deutschen Demokraten», rief er.
SPD-Chef Martin Schulz bezeichnete die Äusserungen Baumanns im Sender «Phoenix» als «unsägliche Referenz«. Ausgerechnet die AfD nehme Bezug auf den Reichstagspräsidenten Göring, der den Reichstag in die Diktatur geführt habe. «Das fand ich schon einen beklemmenden Moment.»
«Unterstes Niveau»
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch warf der AfD «unterstes Niveau» vor. «Ich hoffe, dass das ein Ausrutscher war«, sagte er «Phoenix». FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte in der Sitzung, dass die AfD sich mit den Opfern Görings vergleiche, damit habe sich die Partei «an Geschmacklosigkeit selbst übertroffen«.
Der Grünen-Abgeordnete Jürgen Trittin sagte «Phoenix»: «Wir sind mit einer Fraktion konfrontiert, die sich heute nicht mal entblödet hat, sich in eine Reihe zu stellen mit den Opfern des Nationalsozialismus.» Dies sei in einem Haus, «das die Nazis mal niederbrennen liessen, ziemlich geschmacklos gewesen«, fügte Trittin mit Blick auf den Reichstagsbrand von 1933 hinzu.
Der Bundestag hatte im Sommer festgelegt, dass künftig der Abgeordnete mit der längsten Zugehörigkeit zum Parlament Alterspräsident wird. Grund für diese noch im Sommer vorgenommene Neuregelung war die Erwartung, dass ein AfD-Abgeordneter Alterspräsident werden könnte.
Tausende demonstrieren gegen «Rechtsextreme und Rassisten»
Bereits am Sonntag sind in Berlin rund 12'000 gegen die AfD auf die Strasse gegangen. Die Erklärung der Veranstalter: «Am 24. Oktober werden Rechtsextreme und Rassisten auf den Stühlen des Bundestags Platz nehmen, als Mitglieder der neuen AfD-Fraktion.» Die AfD hatte die Demonstration als »Anschlag auf die Demokratie» bezeichnet. (SDA/rey)