Nayib Bukele tritt zweite Amtszeit in El Salvador an
«Von mir aus kann er ewig regieren»

Während Nayib Bukele für viele Salvadorianer ein Held ist, beklagen Menschenrechtler zahlreiche Todesfälle und die Untergrabung demokratischer Strukturen. Führt der «coolste Diktator der Welt» einen Feldzug gegen Gangs oder lässt er willkürlich Personen inhaftieren?
Publiziert: 28.05.2024 um 10:20 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2024 um 10:23 Uhr
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Nayib Bukele steht vor seiner zweiten Amtszeit als Präsident von El Salvador.
Foto: AFP
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SDASchweizerische Depeschenagentur

Gleich nach der Landung in El Salvador begegnen die Besucher Präsident Nayib Bukele (42) zum ersten Mal. Die Ausgangstür des Hauptstadtflughafens öffnet sich, und da ist er, der «coolste Diktator der Welt», wie er sich mal selbst nannte. Bukeles Porträt hängt an der Wand einer Fotoecke, die den Empfangsraum des Präsidentenpalastes nachbildet. Fluggäste lassen ihr Gepäck stehen und posieren auf den Sesseln mit goldenen Armlehnen für einen Schnappschuss.

Für viele Salvadorianer ist Bukele ein Volksheld. Andere sehen in ihm einen autoritären Herrscher. Aber niemand in dem kleinen mittelamerikanischen Land kommt an dem Mann vorbei, der rund 80 000 mutmassliche Bandenmitglieder öffentlichkeitswirksam ins Gefängnis werfen liess. Am 1. Juni tritt der 42-jährige Staatschef seine zweite Amtszeit an – die von der Verfassung eigentlich gar nicht erlaubt war.

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Präsident für immer?

«Von mir aus kann er ewig regieren», sagt die Hotelangestellte Cristina Flores. «Ich liebe Nayib». Die Banden, die ihren Wohnort kontrollierten, seien in dem vor mehr als zwei Jahren verhängten Ausnahmezustand ausgeschaltet worden. Nach zwölf Jahren Bürgerkrieg (1980-1992) und fast 30 Jahren Herrschaft der sogenannten Maras habe Bukele, der seit 2019 regiert, das Land befriedet. Das einst gefährlichste Land der Welt ist nach Angaben der Regierung jetzt das sicherste Land in Lateinamerika.

Als Tausende mutmassliche Bandenmitglieder mit Tätowierungen wie Vieh in ein neues Hochsicherheitsgefängnis getrieben wurden, waren viele erleichtert. Andere beklagen willkürliche Festnahmen. Das Land mit sechs Millionen Einwohnern hat nun die höchste Inhaftierungsrate weltweit. «In einem Krieg wird es immer Kollateralschäden geben», rechtfertigte Vizepräsident Félix Ulloa (73) das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Rund 7000 Menschen seien inzwischen wieder freigelassen worden.

«Habe die Leichen gesehen»

Für Margarita N. waren diese Kollateralschäden ihre 17 und 20 Jahre alten Söhne. Der Jüngste wurde nur auf Verdacht festgenommen und hatte Glück: Nach elf Monaten in Untersuchungshaft kam er frei. Den Älteren sah die Mutter erst rund eineinhalb Jahre nach der Festnahme wieder – in einem Sarg. «Ich habe die Leiche gesehen, und mein Sohn war schwer verprügelt. Er hatte blaue Flecken überall», sagt die Frau aus einer armen Ortschaft an der Pazifikküste. Offiziell war die Todesursache eine akute Lungenentzündung.

Laut der Organisation Humanitäres Rechthilfswerk wurden während des Ausnahmezustands mindestens 26 000 Menschen willkürlich inhaftiert. Mehr als 240 Gefangene seien in Gewahrsam ums Leben gekommen – meist durch Gewalt oder aufgrund von mangelnder medizinischer Versorgung.

Auch Baby Keren soll zu den Opfern des Kriegs gegen die Banden zählen. Die Mutter, Dina Hernández, sei in der 38. Schwangerschaftswoche festgenommen worden, berichtet die Frauenrechtsaktivistin Edith Elizondo. Zwei Tage nach der Festnahme verpasste die 28-Jährige einen geplanten Arzttermin und zwei Wochen später bekam die Familie zum ersten Mal Informationen über Dina: Ihr Neugeborenes sei gestorben. Sie sollten den Leichnam des Mädchens abholen.

«Zehn Jahre im Amt sind genug»

Auf dem Souvenir-Markt von San Salvador zeigt sich der Kult um Bukele in seiner kitschigsten Form. Neben dem üblichen Kunsthandwerk sind Tassen, T-Shirts und Spardosen mit seinem Konterfei zu finden. Die Mitbringsel seien sehr beliebt, sagt Verkäuferin Sara Morán. Wegen der verbesserten Sicherheitslage besuchten nun mehr Touristen das Land. Sie sei froh darüber, wieder ohne Angst auf die Strasse gehen zu können. Aber dass Bukele sich auch nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit 2029 an die Macht klammern könnte, wie eine kürzlich gebilligte Verfassungsreform vermuten lässt, möchte sie nicht: «Zehn Jahre im Amt sind genug».

Eigentlich sah das Grundgesetz nur fünf Jahre Amtszeit vor. Die Verfassungsrichter erlaubten Bukele trotzdem, erneut zu kandidieren. Im Februar wurde der Ex-Werbefachmann mit 83 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seine Partei Nuevas Ideas und ihre Verbündeten kamen auf 57 der 60 Sitze im Parlament. «Die gesamte Opposition wurde pulverisiert», sagte der Präsident, der auch die Digitalwährung Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat.

Kritiker und unabhängige Journalisten sprechen von einer systematischen Untergrabung der demokratischen Gegengewichte unter Bukele. «El Salvador hat in den letzten fünf Jahren einen Rückschritt auf dem Gebiet der bürgerlichen und politischen Rechte erlebt», sagt Abraham Abrego von der Menschenrechtsorganisation Cristosal. Der Notstand mit der Einschränkung von Grundrechten sei längst nicht mehr die Ausnahme, sondern mittlerweile zur Regel geworden.

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