Es war Kerrys letzte grosse Rede zum Nahostkonflikt, bevor der Demokrat wie die gesamte Obama-Regierung am 20. Januar 2017 aus dem Amt scheidet. Kerry verteidigte am Mittwoch in Washington auch die Enthaltung seiner Regierung im UNO-Sicherheitsrat zur israelischen Siedlungspolitik.
Man habe im Einklang mit Werten der USA gehandelt, sagte Kerry. Es sei ein Bemühen gewesen, an einer Zweistaatenlösung festzuhalten. Der UNO-Sicherheitsrat hatte am vergangenen Freitag erstmals seit 1979 eine Resolution gegen den israelischen Siedlungsbau verabschiedet.
Möglich wurde das durch die Entscheidung der USA, nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen, sondern sich zu enthalten. Alle 14 übrigen Sicherheitsratsmitglieder stimmten für die Resolution, die den sofortigen Stopp israelischer Siedlungsaktivitäten im Westjordanland und in Ost-Jerusalem fordert.
Die USA wünschten sich eine Zukunft Israels als «jüdischer und demokratischer Staat, der in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit seinen Nachbarn lebt», sagte Kerry am Mittwoch. Derzeit sei die Zwei-Staaten-Lösung jedoch «ernsthaft gefährdet». Eine Beibehaltung des Status quo würde einer «dauerhaften Besatzung» gleichkommen, warnte der US-Aussenminister.
Die «Siedler-Agenda» gefährde auch Israels Zukunft. Es gebe eine «fundamentale Realität»: Wenn Israel eine Ein-Staaten-Lösung wolle, könne dieser Staat nur «entweder jüdisch oder demokratisch» sein, aber nicht beides zugleich, sagte Kerry.
Jerusalem solle «Hauptstadt zweier Staaten» in den Grenzen von der Zeit vor dem Sechs-Tage Krieg von 1967 sein, forderte der US-Aussenminister. Dabei könne ein Austausch von Land im gegenseitigen Einvernehmen hilfreich sein. Schliesslich müsse Israel als jüdischer Staat anerkannt werden.
Kerry wies auch die Vorwürfe Israels sowie von Barack Obamas baldigem Nachfolger Donald Trump zurück. US-Präsident Obama sei Israel während seiner zwei Amtszeiten «zutiefst» verpflichtet gewesen. Zu der Beziehung gehöre aber nicht, dass die USA jede Politik akzeptieren müssten. «Freunde müssen Freunde an unangenehme Wahrheiten erinnern», sagte Kerry.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte vor der Rede Kerrys eine Abstimmung über hunderte neue Siedlerwohnungen im palästinensischen Ost-Jerusalem verschieben lassen. Netanjahu wolle die Spannungen mit den USA nicht weiter anheizen, sagte ein Vertreter des Planungsausschusses von Jerusalem.
Ursprünglich hatte der Jerusalemer Planungs- und Bauausschuss über insgesamt 492 Baugenehmigungen in den Siedlungen Ramat Schlomo und Ramot in Ost-Jerusalem beraten sollen. Laut der Nichtregierungsorganisation Ir Amim ging es sogar um 618 Wohneinheiten in drei Stadtteilen Ost-Jerusalems.
Bei einem anderen Siedlungsneubau in Ost-Jerusalem gab die Stadtverwaltung laut Aktivisten dagegen grünes Licht. Im palästinensischen Stadtteil Silwan soll nun ein vierstöckiges Siedler-Gebäude errichtet werden, wie Ir Amim mitteilte.
Derzeit leben rund 430'000 jüdische Siedler im besetzten Westjordanland und mehr als 200'000 im von Israel annektierten Ost-Jerusalem. Der israelische Siedlungsbau wird international als eines der grössten Hindernisse für eine dauerhafte Friedenslösung im Nahost-Konflikt angesehen.