Nahost-Experte Erich Gysling erklärt die drastischen Sanktionen gegen Katar
Worum es beim Katar-Boykott wirklich geht

Das Gastgeberland der Fussball-WM 2022 wird isoliert. Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigte Arabischen Emirate und Bahrain brechen ihre diplomatischen Beziehungen zu Katar ab. Ab sofort kappen sie jeden Boden-, Luft- und Seeverkehr, weil Katar Terroristen unterstütze. Die Fluggesellschaft Etihad kündigte die Einstellung sämtlicher Flugverbindungen von und nach Doha an. Auch Flydubai will von Dienstag an Katar nicht mehr anfliegen. Nahost-Experte Erich Gysling (80) ordnet für Blick die Lage ein.
Publiziert: 05.06.2017 um 13:36 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 00:36 Uhr
Wird isoliert: Katar mit der Hauptstadt Doha.
Foto: KEY
Guido Felder

Was bedeutet die Isolation Katars für die ganze Region?
Die Isolierung Katars zeigt, wie unterschiedlich die Interessen der an Erdöl und Erdgas reichen mittelöstlichen Region sind. Katar – geografisch ein Zwerg, wirtschaftlich aber ein Riese – ist ein Rivale der Saudis und der Emirate. Die Saudis sind dringend darauf angewiesen, dass die Preise für das Erdöl und Erdgas steigen, sonst gerät ihre Wirtschaft in die Krise. Katar ausschalten ist gleichbedeutend mit der Aussicht auf steigende Preise. Und Katar ist auch als Dienstleistungszentrum und Drehkreuz im internationalen Flugverkehr ein Konkurrent, vor allem für die Emirate. 

Stimmt es, dass Katar den Terrorismus unterstützt? Gibt es Beweise?
Katar unterstützt tatsächlich die Muslimbrüder in verschiedenen Ländern, und der Emir von Katar scheute sich nicht einmal, seine Sympathie für extremste islamistische Gruppen im Syrien-Konflikt offen kund zu tun. Nur: Gelder für die islamistischen Extremisten in Syrien und im Irak fliessen nicht nur aus Katar, sondern auch aus intransparenten Quellen in den Emiraten und Saudi-Arabien. Lästig für die Saudis ist, dass Katar sich im Krieg der Worte mit Iran um Mässigung und Vermittlung bemüht. Und ebenso lästig ist, dass Katar im Jemen-Konflikt nicht auf der Seite der Saudis steht.

Auf seiner ersten Auslandreise traf US-Präsident Donald Trump den Emir von Katar, Tamim bin Hamad Al Thani.
Foto: AP

Ist es richtig, Katar zu sanktionieren?
Wenn man Katar sanktionieren sollte, dann gälte Gleiches wohl auch für andere Staaten der Region.

Wenn schon die vier Länder Massnahmen gegen Katar beschliessen, müssten es nicht auch andere Staaten wie etwa die USA, die EU oder sogar die Schweiz tun?
Die Dinge sind recht kompliziert, vor allem für die USA – die haben ja in Katar die wichtige Luftwaffenbasis al-Udeid mit rund 10’000 amerikanischen Soldaten. Und sie betreiben von dort aus eines der für den Mittleren Osten wesentlichen Kommando-Zentren. Die Blockade Katars durch Saudi-Arabien, die Emirate und Ägypten – das finanziell stark von den Saudis abhängig ist – kommt also der so genannten Trump-Doktrin eindeutig in die Quere. Und, wie erwähnt, wenn man schon Katar wegen «Terror-Unterstützung» isolieren will, dann sollte man mit gleichen Massstäben die Beziehungen mit anderen Staaten der Region unter die Lupe nehmen.

Foto: KEY

Die Katari bauen zurzeit die Luxus-Hotelanlage auf den Bürgenstock NW für 550 Millionen Franken neu auf. Auch sind Katari Grossaktionäre bei der CS. Könnte die Isolation Auswirkungen auf solche Investitionen haben?
Wahrscheinlich nicht. Katar hat gewaltige Summen in einem Staatsfond «parkiert» und legt seine Milliarden in zahlreichen Ländern an. Daran ändert die regionale Isolierung Katars nichts, die Milliarden sind nach wie vor vorhanden und verfügbar. Schwierig für Katar würde es aber, wenn Tanker mit verflüssigtem Erdgas die Strasse von Hormus nicht mehr passieren könnten. So weit ist man noch nicht – aber wer weiss, wie weit die Saudis und die Emirate den Streit mit den Herrschern in Doha hochtreiben wollen.

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