Ende September kam US-Höhenbersteiger Edmund «Ed» Viesturs (64) in die Schlagzeilen. Er, und nicht Bergsteigerlegende Reinhold Messner (79), soll als erster Mensch alle 14 Achttausender der Erde bezwungen haben – und noch dazu, wie Messner, ohne Sauerstoff. Messners «Vermächtnis»-Rekord wurde vom Guinnessbuch aberkannt. Die damaligen Berechnungen hätten nicht dem heutigen Stand entsprochen.
Viesturs weigerte sich schon nach der Guinnessbuch-Erklärung, die Ehrung anzunehmen. «Lächerlich», sagt jetzt der Amerikaner dazu, der sich erstmals offen zu seinem Rekord äussert, den er nicht will. Er statt Messner – «das ergibt für mich keinen Sinn», so Viesturs am Mittwoch. «Messner ist immer noch Rekordhalter.»
«Die Leute hier unten wissen nicht wirklich, wie es dort oben ist», so der nach Edmund Hillary (1919–2008), dem Erstbesteiger des Mount Everest, benannte Höhenkletterer, der heute ein bekannter Motivationsredner ist. «Dass die so kleinlich sind, ist irgendwie lächerlich», zitiert ihn das Fachportal Explorersweb.
Erstes Treffen überhaupt mit Messner
Nun begegnen sich die beiden Kletterlegenden am 14. Oktober im Rahmen eines Sportfestivals im italienischen Trient zum ersten Mal. Dabei werden sie wohl auch über die Guinness-Entscheidung sprechen – und darüber, wie wenig die Welt vom Extrembergsteigen verstehe.
Bereits auf Instagram hatte Viesturs seinem grossen Vorbild Messner Ende September ein Denkmal gesetzt. «Er war nicht nur mit seinem Stil, sondern auch physisch und psychisch wegweisend, weil er ohne zusätzlichen Sauerstoff kletterte. Andere Bergsteiger, wie ich, konnten durch seine Inspiration in seine Fussstapfen treten.»
Nach Guinnessbuch-Neuberechnungen soll Messner niemals die Spitze des Annapurna erreicht haben. Grundlage dieser These sind Geodaten, wonach Messner und etliche andere Bergsteiger vor Erreichen des «wahren Gipfels» wieder umgekehrt seien, so der deutsche Himalaya-Chronist Eberhard Jurgalski (70).
Guinness-Experte «hat keine Ahnung»
«Messner war an einem Punkt 65 Meter vor und fünf Meter unter dem Gipfel», so Jurgalski. Schliesslich behaupte Messner in Interviews, dass er von oben das Basislager habe sehen können. «Vom Gipfel kann man das Basislager aber nicht sehen.»
Jurgalskis Veröffentlichungen und die darauf folgende Guinness-Entscheidung versetzten die Bergsteigerwelt in helle Aufruhr. Jurgalski wird von Messner-Anhängern beschimpft. Dieser verteidigt sich. «Ich habe Messner keinen Rekord aberkannt, sondern wollte seine Leistung lediglich einordnen.» Der Bergsteiger habe nur einen Fehler gemacht. «Messner hat viel geleistet, aber einen kleinen menschlichen Fehler gemacht – so wie andere auch», sagt der Lörracher im Gespräch mit der DPA.
Die Protagonisten im Auge des Sturms geben sich solidarisch. Viesturs hält zu Messner, und dieser kommentierte knapp: «Er» – Jurgalski – «hat keine Ahnung. Der ist kein Experte. Der hat einfach den Berg verwechselt. Natürlich sind wir auf dem Gipfel angekommen.» (kes)