Nach Wahlbetrug in Belarus
EU diskutiert mögliche Sanktionen gegen Führung

Sofort Sanktionen erlassen oder besser erst noch einmal abwarten?
Publiziert: 14.08.2020 um 11:58 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2021 um 17:58 Uhr
Dem belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko wird Wahlbetrug vorgeworfen. Die EU denkt über mögliche Sanktionen gegen die belarussische Führung nach.
Foto: imago images/ZUMA Wire

Die Aussenminister der EU-Staaten beraten an diesem Freitagnachmittag erstmals in grosser Runde über mögliche Reaktionen auf die von schweren Fälschungsvorwürfen begleitete Präsidentenwahl in Belarus (Weissrussland). Wenn es den erforderlichen Konsens gibt, ist denkbar, dass die Wiedereinführung von 2016 aufgehobenen Sanktionen auf den Weg gebracht wird. So könnten etwa EU-Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen die belarussische Führung erlassen und Finanzhilfen im Rahmen der Nachbarschaftspolitik gekürzt werden.

Demonstranten werden freigelassen

Die Regierung in Belarus begann unterdessen am Donnerstagabend mit der Freilassung zahlreicher Demonstranten, die bei Protesten in den vergangenen Tagen festgenommen worden waren. Bis zum Freitagmorgen, 6.00 Uhr (5.00 Uhr MESZ), solle ein Grossteil der Festgenommenen wieder in Freiheit kommen, teilten die Behörden mit. Die Rede war von mehr als 1000 Gefangenen. Es war das erste Mal seit Tagen, dass der Machtapparat unter Alexander Lukaschenko, der als letzter «Diktator Europas» gilt, einlenkte. Staatsmedien berichteten, dass Lukaschenko selbst angewiesen habe, sich um die Lage der Gefangenen zu kümmern. Tausende hatten auch am Donnerstag seinen Rücktritt gefordert.

Manipulation bei der Wahl

Dem Staatschef wird von der Opposition in seinem Land und der EU vorgeworfen, die Wahl am vergangenen Sonntag zu seinen Gunsten manipuliert zu haben und die Versammlungs-, Medien- und Meinungsfreiheit einzuschränken. Er soll nach offiziellen Angaben die Abstimmung mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben. Die Oppositionelle Swetlana Tichanowskaja nimmt aber einen Sieg für sich in Anspruch. Bei Protesten gab es zuletzt rund 7000 Festnahmen, die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die Demonstranten vor.

Proteste nehmen kein Ende

Bereits fünf Tage in Folge gingen die Menschen auf die Strasse. In der Nacht zum Freitag blieben die Proteste Berichten zufolge zunächst friedlicher als in den Nächten zuvor. Viele berichteten im Nachrichtenkanal Telegram von Gewalt und Schlägen im Polizeigewahrsam. Sie veröffentlichten auch Bilder von ihren verletzten Körpern mit zahlreichen Blutergüssen.

Am Donnerstag legten Menschen in vielen wichtigen Staatsbetrieben ihre Arbeit nieder, auch zahlreiche Ärzte waren unter den Streikenden. Zudem bildeten die Bewohner Menschenketten, Tausende Frauen verteilten Blumen.

Für Gespräche über neue Sanktionen hatte sich zuletzt unter anderem Deutschlands Aussenminister Heiko Maas (SPD) ausgesprochen. Die Hoffnungen auf mehr Rechtsstaatlichkeit in Belarus hätten mit der Präsidentenwahl «mehr als nur einen herben Rückschlag erlitten», sagte er. Von freien Wahlen sei «wirklich überhaupt nichts» zu erkennen gewesen. Stattdessen habe man Gewalt, Einschüchterungen und Verhaftungen erlebt.

Kommt es zum Konsens?

Ob es den notwendigen Konsens für Sanktionen im Ministerrat geben wird, war bis zuletzt allerdings unklar - vor allem wegen der guten Kontakte von Ungarns Regierungschef Viktor Orban zu Lukaschenko. Orban hatte Lukaschenko noch im Juni in Minsk besucht und dabei ein Ende der noch bestehenden EU-Sanktionen gegen Belarus gefordert.

«Wir sind daran interessiert, dass in der EU dialogbasierte Entscheidungen getroffen werden, die den künftigen Ausbau von Beziehungen zwischen der EU und Belarus nicht unmöglich machen», schrieb der ungarische Aussenminister Peter Szijjarto am Donnerstag auf seiner Facebook-Seite.

Litauen wird auch alleine handeln

Litauen kündigte unterdessen bereits an, notfalls alleine zu handeln. Sollte keine Einigung über gemeinsame EU-Sanktionen zustande kommen, werde Litauen nationale Sanktionen initiieren, sagte Aussenminister Linas Linkevicius. Nach Einschätzung des Regierungschefs Saulius Skvernelis könnten sich Polen, die Ukraine und die beiden anderen Baltenstaaten Estland und Lettland einer derartigen Initiative anschliessen.

EU hob Sanktionen auf

Die EU hatte zuletzt im Februar 2016 ungeachtet der Kritik von Menschenrechtlern zahlreiche Sanktionen gegen den Machtapparat von Lukaschenko auslaufen lassen. Lediglich ein bestehendes Waffenembargo sowie Strafmassnahmen gegen vier Weissrussen, die am Verschwinden von Regime-Gegnern beteiligt sein sollen, wurden zuletzt noch aufrechterhalten.

Für Lukaschenko, 169 Gefolgsleute sowie drei Unternehmen bedeutete die EU-Entscheidung damals, dass von ihnen vorhandene Vermögen in der EU nicht mehr gesperrt werden konnten. Zudem wurden für sie sämtliche Reise- und Geschäftsbeschränkungen aufgehoben. Als einen Grund für die Lockerung der Sanktionen nannte die EU damals die Freilassung politischer Gefangener sowie die gewaltfrei verlaufene Präsidentenwahl im Jahr 2015.

Im Zuge dieser Entwicklungen wurde auch die Zusammenarbeit langsam wieder intensiviert. So bekamen etwa Hunderte belarussische Unternehmen über die Initiative «EU4Business» Finanzhilfen und andere Arten von Unterstützung. (SDA)

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