Nach US-Militärschlag in Syrien
Putin in der Sackgasse

Ein offener Schlagabtausch mit den Amerikanern dürfte kaum im Interesse der russischen Führung sein. Dafür fehlen ihr militärisch die Argumente. Putins Macht-Blase in Syrien könnte schon bald platzen.
Publiziert: 11.04.2017 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 08:02 Uhr
Zu hoch gepokert? Russlands Präsident Wladimir Putin (64).
Foto: Alexander Zemlianichenko
Gregory Remez

Es herrscht eine gespenstische Stille seit dem US-Angriff gegen den syrischen Luftwaffenstützpunkt Al Sheira am vergangenen Freitag. Ist es die Ruhe vor dem grossen Sturm? Eine militärische Eskalation in Syrien ist plötzlich wahrscheinlich wie nie. Die Beziehungen zwischen Russland und den USA sind unter dem Gefrierpunkt.

Dabei war alles anders geplant: Bei seinem Besuch in Moskau am kommenden Mittwoch hätte US-Aussenminister Rex Tillerson die Wogen glätten und mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow über die Ukraine, die Terrorbekämpfung und die bilateralen Beziehungen sprechen sollen. Nach dem radikalen Kurswechsel der USA in der Syrienpolitik dürften sich die beiden wenig zu sagen haben.

Wegweisendes Treffen in Italien

Bis zum Treffen mit Lawrow nimmt Tillerson am zweitägigen G7-Gipfel im italienischen Lucca teil. Mittelpunkt der Beratungen wird die Lage in Syrien sein sowie das Ziel, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zu einer Abkehr vom syrischen Machthaber Baschar al-Assad zu bewegen. 

An dem Gipfel trifft Tillerson auch auf den deutschen Ausseminister Sigmar Gabriel, die Ressortchefs von Gastgeber Italien, Grossbritannien, Frankreich, Kanada und Japan sowie die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Ob es ihnen gelingt, Putin zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, ist wegweisend für den weiteren Verlauf des Konflikts in Syrien und die Beziehungen zwischen Moskau und Washington. 

Verschiebung der Mächteverhältnisse

Die Chancen dafür stehen besser als auch schon. Denn die Machtdemonstration der US-Luftwaffe in Syrien hat Putin in eine unangenehme Lage gebracht. Sollte US-Präsident Donald Trump weiter im Bürgerkriegsland eingreifen wollen, gibt es nicht viel, was Putin dem entgegensetzen könnte. Ein offener Schlagabtausch mit den Amerikanern dürfte kaum im Interesse der russischen Führung sein. Dafür fehlen ihr militärisch die Argumente. 

Die Stärke Russlands gründete auf der bisherigen Schwäche des Westens. Nun zeigt sich: Putins Macht-Blase im Mittleren Osten könnte schon bald platzen – sollte sich die internationale Gemeinschaft für einmal auf einen gemeinsamen Kurs gegenüber Russland einigen. 

Erste Anzeichen dafür gab es bereits. So stellte sich die britische Regierung noch am selben Tag des US-Angriffs hinter Donald Trump und forderte Moskau auf, mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren. Was so viel heisst wie: Putin sollte seinem Verbündeten Assad den Rücken kehren. Um diese Forderung zu unterstreichen, sagte der britische Aussenminister Boris Johnson einen für heute Montag geplanten Besuch im Kreml kurzfristig ab. Es sind neue Töne des Westens an die Adresse Moskaus. 

Europa will sich von russischem Gas lösen

Eine weitere Entwicklung dürfte den Russen zusätzlich zu denken geben. Wie verschiedene Medien berichten, haben sich Israel, Zypern, Griechenland und Italien darauf geeinigt, eine Gaspipeline zu bauen, die Europa mit Gas aus dem Nahen Osten versorgt. 

Das Pipeline-Projekt sorgt in Moskau für Unmut. Denn bisher waren die Europäer weitgehend von russischem Gas abhängig. Mit der neuen israelischen Gaspipeline würde sich Europa aus dieser Abhängigkeit befreien – und Putin so eines weiteren Druckmittels berauben.

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