Trump hat Corona. Das ist ein absoluter Albtraum für die Wahlkampagne – und zwar für die seines Herausforderers. Joe Biden, der beim TV-Duell am Dienstag glänzte und die Umfragen national anführt, muss mit einer neuen Unsicherheit klarkommen.
Biden, der sich monatelang aus Corona-Vorsicht in seinem Keller in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware verschanzte, kann nun zwar im Gegensatz zum eingesperrten Lautsprecher Trump raus zu den Leuten – aber gegen wen oder was betreibt er nun Wahlkampf?
Im von persönlichen Attacken geprägten US-Wahlkampf muss er sich nun mit Kritik zurückhalten – Häme verbietet sich bei einem kranken alten Mann schliesslich. Fiese TV-Spots zog er umgehend zurück, schickte via Twitter gute Wünsche an den Präsidenten und die First Lady.
Wie es weitergeht, ist unklar. Monatelang hat der 77-jährige Biden alle Kräfte für den wahlkampfintensiven Monat Oktober gesammelt. Und jetzt ist unklar, wie es weitergeht. Gibt es überhaupt noch mal eine TV-Debatte? Finden die US-Wahlen wie geplant statt, werden sie verschoben, fallen sie gar aus?
Dazu kommt: Kostet Covid-19 Trump nicht das Leben, könnte ihm die Erkrankung sogar nützen.
Aktuell lenkt die Neuigkeit auf jeden Fall von allen anderen Skandalen ab. Die unglaubliche Anzahl von mehr als 200'000 Corona-Toten in den USA? Die Tatsache, dass sich die Zahl der Neuinfektionen in den USA seit einem Monat nicht verbessert hat? Dass er um die Gefahr von Corona wusste und es bewusst runterspielte? Die irre TV-Debatte am Dienstag? Darüber spricht nun niemand mehr.
Seine Anhänger muss Trump eh nicht mehr überzeugen. Und die TV-Debatten haben ohnehin nur einen symbolischen Wert: Vor dem Auftakt am Dienstag sagten 70 Prozent der Amerikaner, dass die Debatte ihre Wahl nicht beeinflussen werde.
Übersteht Trump die Erkrankung, steht er als starker Überlebender da. Als Kämpfer, der weiss, was das Volk durchmacht. Im besten Fall passt er hinterher seine Corona-Strategie an – so wie es Briten-Premier Boris Johnson im Frühjahr nach seiner schweren Erkrankung gemacht hat.
Biden muss sich auf alle Unwägbarkeiten einstellen. Und hoffen, dass es nach Auszählung der Stimmen kein böses Erwachen gibt.
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