Protestwelle nach tödlichem Polizeieinsatz in Frankreich
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Mindestens 77 Festnahmen:Protestwelle nach tödlichem Polizeieinsatz in Frankreich

Nach tödlichem Polizeischuss auf 17-Jährigen
Frankreich mobilisiert aus Angst vor Protesten 40'000 Beamte

Nach einem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen bei einer Verkehrskontrolle bei Paris ist es in der Nacht zum Donnerstag in der Hauptstadt und weiteren Städten erneut zu heftigen Krawallen gekommen. 150 Menschen wurden verhaftet.
Publiziert: 29.06.2023 um 05:10 Uhr
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Aktualisiert: 29.06.2023 um 13:08 Uhr
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Nach einem tödlichen Schuss eines Polizisten auf einen 17-Jährigen ist in Frankreich erneut die Gewalt eskaliert.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS

Nachdem ein Polizist in einem Pariser Vorort am Dienstag einen tödlichen Schuss auf den Jugendlichen Nahel M. (†17) abgegeben hat, sind in Frankreich in der Nacht auf Donnerstag erneut gewaltsame Krawalle ausgebrochen.

Neben Paris kam es unter anderem in Lille, Nantes, Toulouse und Lyon zu Protesten, wie die Zeitung «Le Figaro» und der Sender BFMTV berichteten.

Alleine in Nanterre, wo der jugendliche Autofahrer am Dienstagmorgen gestorben ist, wurden 2000 Beamte mobilisiert, um erneute heftige Ausschreitungen wie am Vorabend zu verhindern. Die Polizei setzte auch Drohnen ein. Wie der Innenminister Gérald Darmanin am Donnerstag mitteilte, werden nun landesweit 40'000 Beamte mobilisiert. 5000 von ihnen würden in Paris und Umgebung eingesetzt werden. Damit werde die Zahl der am Donnerstagabend eingesetzten Kräfte im Vergleich zur Nacht von Mittwoch auf Donnerstag vervierfacht.

150 Menschen verhaftet

Im Grossraum Paris sind in der Nacht mindestens 150 Menschen verhaftet worden. Zudem ging eine Grundschule in Flammen auf. Auch die Haftanstalt in Fresnes bei Paris wurde mit Feuerwerkskörpern angegriffen. Die Pariser Feuerwehr rief die Bevölkerung auf, den Notruf angesichts der Lage nur in dringenden Fällen zu nutzen.

Nach anfänglicher Ruhe heizte sich die Lage in Nanterre bereits wieder am späten Mittwochabend auf. Mehr als zehn Autos sowie zahlreiche Mülleimer wurden angezündet, zudem wurden Strassenbarrieren errichtet, berichteten Journalisten der Nachrichtenagentur AFP.

Dichte Rauchwolken hingen über dem Gebiet. Auf Häuserfassaden stand geschrieben «Gerechtigkeit für Nahel» und «Polizei tötet». In einer Siedlung im Osten der Stadt hielten die Proteste bis spät in die Nacht an. Als Randalierer Pflastersteine warfen, setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein.

Auch eine Strassenbahn, mehrere Autos sowie Geschäfte wurden in Brand gesetzt. Zudem beschädigten die Demonstranten Polizeiwachen und Rathäuser.

Mutter des Todesopfers plant Trauermarsch

Eine Motorradstreife hatte den Jugendlichen am Dienstagmorgen am Steuer eines Autos in Nanterre bei Paris gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel der tödliche Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Dieser befindet sich weiterhin im Polizeigewahrsam. Gegen ihn wird wegen Totschlagsverdacht ermittelt. Dem 38-Jährigen droht die Suspendierung. In Nanterre sollte am Donnerstagnachmittag ein Trauermarsch für den Jugendlichen Nahel M. stattfinden, zu dem seine Mutter aufgerufen hat.

Zunächst hatten die beiden an der Kontrolle beteiligten Polizisten laut dem Sender France Info ausgesagt, der Jugendliche habe sie überfahren wollen. Erst als sich von dem Sender verifizierte Videobilder des Vorfalls in den Sozialen Netzwerken verbreiteten, rückten sie von dieser Darstellung und der angeblichen Tötungsabsicht des Jugendlichen ab.

Das Video zeigt, wie der Beamte seine Waffe bei der Kontrolle auf Höhe der Fahrertür in das stehende Auto richtete. Die Situation scheint unter Kontrolle, hektische Bewegungen sind nicht zu erkennen. Als der 17-Jährige plötzlich losfährt, feuert der Beamte aus nächster Nähe auf den Jugendlichen und trifft ihn tödlich in die Brust. Das Auto fuhr dann noch einige Meter weiter und rammte eine Strassenabsperrung.

Präsident Emmanuel Macron (45) reagierte mit Mitgefühl und klaren Worten auf den Tod des 17-Jährigen. «Wir haben einen Jugendlichen, der getötet wurde, das ist nicht zu erklären und nicht zu entschuldigen.» (SDA/AFP)

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