Nach sexueller Gewalt in mindestens 4000 Einrichtungen
Australien entschädigt mehr als 14'000 Opfer

Der sexuelle Missbrauch von Kindern wurde in Australien über Jahrzehnte hinweg vertuscht. Jetzt erklären sich die ersten beiden Bundesstaaten zu Entschädigung bereit. Die Regierung sieht auch die katholische Kirche in der Pflicht.
Publiziert: 09.03.2018 um 09:37 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:25 Uhr
Sieht sich selbst konfrontiert mit Vorwürfen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch: Kardinal George Pell, ranghöchster Vertreter der katholischen Kirche in Australien.
Foto: KEYSTONE/EPA AAP/DANIEL POCKETT

In Australien sollen mehr als 14'000 Menschen, die als Kinder Opfer sexueller Gewalt wurden, Geld vom Staat bekommen. Die beiden bevölkerungsreichsten Bundesstaaten New South Wales (NSW) und Victoria kündigten am Freitag an, von Juli an im Einzelfall bis zu 150'000 Dollar auszuzahlen.

Premierminister Malcolm Turnbull forderte die katholische Kirche und andere Institutionen auf, sich ebenfalls an dem Programm zu beteiligen. Der Erzbischof von Sydney, Anthony Fischer, sicherte dem Fonds am Freitag grundsätzliche Unterstützung zu. Die katholische Kirche werde sich «so bald wie möglich» zu einer Beteiligung äussern. Der Erzbischof von Melbourne, Denis Hart, verwies auf frühere Zahlungen in insgesamt 227 Fällen.

Katholische Kirche in Australien wegen Missbrauchsskandal in der Kritik

Das Geld ist für Frauen und Männern gedacht, die als Kinder von Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen systematisch missbraucht wurden - oft über Jahre hinweg. Allein in NSW und Victoria teilen mehr als 14'000 Menschen dieses Schicksal.

Insgesamt geht es jedoch um mehrere zehntausend Fälle aus den Jahren 1960 bis 2015. Experten gehen davon aus, dass rund 60'000 Menschen Anspruch auf solche Zahlungen erheben können. Insbesondere die katholische Kirche steht wegen des Missbrauchsskandals in der Kritik. Nach den Recherchen einer offiziellen Ermittlungskommission sollen sich sieben Prozent von Australiens katholischen Priestern an Kindern vergangen haben.

Australiens Bischofskonferenz hat sich zwar entschuldigt; zu einer finanziellen Entschädigung an die Opfer ist sie bislang aber nicht bereit. Turnbull machte am Freitag aber deutlich, dass er die Kirche in der Pflicht sieht. Wer sich dem Programm verweigere, würde «sehr hart» beurteilt, mahnte der konservative Regierungschef. Zugleich kündigte er an: «Wenn die Kirche, eine wohltätige Organisation oder eine andere Institution nicht mitmacht, werden wir zum Lautsprecher greifen und dafür sorgen, dass sie unterschreiben.»

Missbrauchsfälle in mindestens 4000 Einrichtungen

Die Ausgleichszahlungen gehen auf die Empfehlungen einer Kommission zurück, die nach jahrelangen Untersuchungen Ende 2017 ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte. Sie hatte sogar eine Ausgleichszahlung von 200'000 Dollar vorgeschlagen. Bislang hat sich ausser den beiden Bundesstaaten noch niemand zur Mitwirkung bereit erklärt. Die Verhandlungen zwischen der Zentralregierung in Canberra und anderen Bundesstaaten laufen noch.

Nach offiziellen Zahlen haben allein in NSW 9000 Opfer von sexueller Gewalt Anspruch auf Geld. In Victoria sind es 4000. Ausgeschlossen sind Leute, die später selbst andere sexuell missbraucht haben. Wer - aus welchen Gründen auch immer - zu einer Haftstrafe von fünf Jahren oder mehr verurteilt wurde, bekommt ebenfalls nichts. Opferverbände begrüssten die Ankündigung der beiden Bundesstaaten.

Dem Abschlussbericht der Kommission zufolge wurden über sechseinhalb Jahrzehnte hinweg Kinder in mindestens 4000 Einrichtungen missbraucht - in Schulen, Kirchen, Heimen, Internaten. Die Mehrheit der Opfer waren Jungen. Durchschnittlich waren sie nicht einmal zwölf Jahre alt. In vier von fünf Fällen blieb es nicht bei einem Mal. (SDA)

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