Nach sexuellen Übergriffen in Deutschland
Amis fordern Merkels Rücktritt

Die emotionale Debatte nach den sexuellen Übergriffen in mehreren deutschen Städten schwappt über den Atlantik. In einem viel beachteten Beitrag kritisiert die «New York Times» Angela Merkels Asylpolitik und prophezeit Deutschland – und dem Rest Europas – eine düstere Zukunft.
Publiziert: 10.01.2016 um 20:25 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2018 um 13:15 Uhr
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vor den Landtagswahlen unter Druck.
Foto: /EPA DPA/JULIAN STRATENSCHULTE
Von Gregory Remez

«Angela Merkel muss gehen – damit ihr Land und der Kontinent, der es umgibt, nicht einen zu hohen Preis für ihre Torheit bezahlen müssen», lautet das vernichtende Fazit eines gestern veröffentlichten Artikels der renommierten US-Zeitung «The New York Times».

Zum Anlass für derart drastische Worte nimmt der Textautor, Kolumnist Ross Douthat, das vermeintliche Versagen der Bundeskanzlerin in der Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Als gefährlich und naiv bezeichnet er ihre Politik der Willkommenskultur. «Wenn Sie glauben, dass eine alternde, säkularisierte und daher weitgehend homogene Gesellschaft eine Einwanderungswelle dieser Grössenordnung mit derart unterschiedlichem kulturellen Hintergrund friedlich absorbieren kann, dann haben Sie eine grosse Zukunft als Sprecherin der aktuellen deutschen Regierung. Aber Sie sind auch ein Narr», schreibt Douthat in seinem Pamphlet mit dem Titel «Germany at the Brink» (Deutschland am Abgrund).

«Ein Indiz für gescheiterte Asylpolitik»

Bis anhin hatte sich die «New York Times» fast durchgehend positiv über Merkels Asylpolitik geäussert. Nach den massenhaften Attacken der Silvesternacht auf Hunderte von Frauen in Köln, Hamburg, Stuttgart, Düsseldorf oder Frankfurt scheint sich der wohlwollende Ton der linksliberalen Zeitung gegenüber der deutschen Regierung und deren Umgang mit Flüchtlingen jedoch zu verschärfen.

Die Attacken von ausländischen Männern auf Frauen – alleine in Köln gingen 379 Anzeigen wegen sexueller Übergriffe ein (Stand Samstag) – seien «ein Indiz für Merkels gescheiterte Politik der massenhaften Aufnahme von Flüchtlingen», heisst es in dem Beitrag weiter.

Der Zustrom Hunderttausender junger Männer in einer derart kurzen Zeitspanne, deren Vorstellungen zum Teil diametral den Werten des gegenwärtigen Europas gegenüberstehen, gingen an keiner Gesellschaft spurlos vorbei. Folgen eines derartigen Wandels könnten nicht nur wachsende Konflikte zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen sowie eine Zunahme terroristischer Aktivitäten sein, sondern möglicherweise auch eine Renaissance der politischen Unruhen der 1930-er Jahre.

Deshalb, so Douthat, sollte Deutschland die Illusion aufgeben, «die Sünden seiner Vergangenheit mit leichtfertigem Humanitarismus in der Gegenwart» wiedergutmachen zu können.

Merkel cancelt Trip nach Davos 

Nicht nur von aussen, auch von innen hat der politische Druck auf Merkel nach den sexuellen Übergriffen von Silvester zugenommen. So hat etwa FDP-Chef Christian Lindner die Bundeskanzlerin beim Dreikönigstreffen seiner Partei scharf attackiert. Unter anderem warf er ihr vor, mit einseitigen und nicht abgestimmten Massnahmen den ganzen Kontinent «in ein Chaos gestürzt» zu haben.

Wie die «Financial Times» berichtet, soll Merkel angesichts der heiklen innenpolitische Lage gar ihren Trip ans Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, das vom 20. bis 23. Januar stattfindet, abgesagt haben.

Den wachsenden Druck auf Merkel beobachtet auch Tim Guldimann, SP-Nationalrat und ehemaliger Botschafter der Schweiz in Deutschland: Das Problem der Bundeskanzlerin sei, dass sie im Sommer eine Willkommens­kultur ausgerufen habe, ohne gleichzeitig die Absicht zu bekunden, den Zustrom einzudämmen (BLICK berichtete).

«Wenn Bundeskanzlerin Merkel die aktuellen Flüchtlingszahlen nicht merklich senken kann, hat sie bald ein ernsthaftes Problem», sagt Guldimann. Die Zustimmung in der Bevölkerung werde schwinden. Das wäre dann wohl ganz im Sinne des «New York Times»-Kolumnisten Ross Douthat.

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