Nach der russischen Invasion in die Ukraine wollen die USA grosse russische Banken zusammen mit ihren Verbündeten mit harten Sanktionen international isolieren. Zudem kündigte US-Präsident Joe Biden strikte Exportkontrollen für den Technologiesektor und weitere Strafmassnahmen gegen Mitglieder der russischen Elite an. Russlands Präsident Wladimir «Putin ist der Aggressor», sagte Biden am Donnerstag im Weissen Haus. Nun werde Russland die wirtschaftlichen Folgen seines Handelns spüren.
Biden ordnete auch die Entsendung weiterer US-Soldaten nach Deutschland an. «Unsere Streitkräfte gehen nicht nach Europa, um in der Ukraine zu kämpfen, sondern um unsere Nato-Verbündeten zu verteidigen und die Verbündeten im Osten zu beruhigen», sagte Biden. Die US-Regierung hat seit Jahresbeginn bereits die Verlegung von rund 6000 zusätzliche Soldaten nach Osteuropa angekündigt. «Freiheit, Demokratie und Menschenwürde - das sind die Kräfte, die viel mächtiger sind als Angst und Unterdrückung. Sie können von Tyrannen wie Putin und seinen Armeen nicht ausgelöscht werden», sagte Biden.
Biden kann Sanktionen noch verschärfen
Der US-Präsident betonte, die Sanktionen gegen Russland könnten im Fall einer weiteren Eskalation noch verschärft werden. Betroffen von den neuen Finanzsanktionen seien vier Kreditinstitute, die zusammen rund ein Drittel der russischen Vermögen hielten, sagte Biden. Darunter sei auch Russlands zweitgrösstes Institut, die VTB Bank. Die Banken würden damit vom US-Finanzmarkt und Geschäften in US-Dollar ausgeschlossen. Gleiche Schritte seien auch von den Partnern in der EU, Grossbritannien und Japan geplant, sagte Biden weiter.
Dem Weissen Haus zufolge liefen zuletzt noch der Grossteil der russischen Währungsgeschäfte und etwa die Hälfte des Aussenhandels in US-Dollar. Falls die EU, die USA und ihre Partner die russischen Banken komplett aus ihren Finanzsystemen ausschliessen sollten, könnten Russland dramatische wirtschaftliche Verwerfungen drohen. Der Dollar und der Euro sind die wichtigsten Handelswährungen, die in vielen internationalen Geschäften auch nicht leicht zu ersetzen sind. Biden erklärte, die neuen Sanktionen seien daher mindestens so wirksam wie ein möglicher Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem Swift. Dieser Schritt hätte Experten zufolge auch grössere Konsequenzen für alle russischen Handelspartner.
Die US-Regierung hatte erst Anfang der Woche eine Verlegung von zusätzlichen Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa angekündigt. Die Kräfte umfassen etwa ein Infanteriebataillon mit etwa 800 Soldaten, die von Italien ins Baltikum verlegt werden, sowie Militär und Kampfhubschrauber aus Deutschland, die an die Nato-Ostgrenze geschickt werden. Das US-Militär hat nach eigenen Angaben derzeit mehr als 90 000 Soldatinnen und Soldaten in Europa. Tausende US-Soldaten in den USA waren auf Bidens Anordnung Ende Januar wegen des Ukraine-Konflikts in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden.
Nato «geeinter denn je»
Die westlichen Verbündeten stehen Biden zufolge nun enger zusammen als je zuvor. «Die gute Nachricht ist, dass die Nato geeinter und entschlossener denn je ist», sagte Biden. Er versicherte erneut: «Die Vereinigten Staaten werden jeden Zentimeter des Nato-Gebiets mit voller Kraft amerikanischer Stärke verteidigen.» Der Westen müsse Putin klare Grenzen aufzeigen. «Das Einzige, wovon ich überzeugt bin, ist, dass er ermutigt sein wird, wenn wir ihn jetzt nicht aufhalten - wenn wir jetzt nicht mit diesen erheblichen Sanktionen gegen ihn vorgehen», sagte Biden. Purin habe «viel grössere Ambitionen in der Ukraine», warnte Biden. «Er will nämlich die ehemalige Sowjetunion wiederherstellen. Darum geht es hier», sagte Biden.
Artikel 5 des Nordatlantikvertrages verpflichtet alle Nato-Mitglieder zum Beistand für ein angegriffenes Partnerland. Da die Ukraine selbst kein Mitglied der Nato ist, kann sie nicht nach diesem Artikel Beistand beantragen. Ein solcher Fall käme vielmehr in Betracht, falls ein angrenzendes Land aus den Reihen der Nato in die militärische Auseinandersetzung verwickelt werden sollte.
USA fürchtet Sturz von Regierung in Kiew
Die US-Regierung geht davon aus, dass Russland im Zuge seines Angriffs auf die Ukraine die Regierung in Kiew stürzen will. Die russischen Streitkräfte hätten «die Absicht, die Regierung zu entmachten und ihre eigene Regierungsform zu installieren, was diese ersten Schritte in Richtung Kiew erklären würde», sagte ein führender Vertreter des US-Verteidigungsministeriums am Donnerstag einer Mitschrift des Pentagons zufolge. Das ukrainische Militär leiste Widerstand gegen die russischen Soldaten, hiess es weiter. Es gebe unter anderem Kämpfe im Umkreis von rund 30 Kilometern der ukrainischen Hauptstadt Kiew sowie rund um die Grossstadt Charkiw im Osten unweit der russischen Grenze. Die Handlungen der Russen seien darauf ausgerichtet, wichtige Bevölkerungszentren einzunehmen.
Die USA hatten am Dienstag infolge der russischen Anerkennung der Separatistengebiete in der Ostukraine bereits den Handel mit russischen Staatsanleihen verboten und Sanktionen gegen zwei kleinere staatliche Banken verhängt. Am Mittwoch hatte sie zudem Sanktionen gegen die Betreibergesellschaft der deutsch-russischen Pipeline Nord Stream 2 AG verhängt. Damit dürfte das Milliardenprojekt, das Russland grosse Einnahmen aus dem Erdgasverkauf versprach, vorerst eine Bauruine bleiben. Zuvor hatte die Bundesregierung das Projekt bereits vorerst auf Eis gelegt. (SDA/chs)