Kurz stand der Impeachment-Prozess auf der Kippe. Dabei haben die Demokraten erst am Montag die Anklageschrift gegen Ex-Präsident Donald Trump (74) wegen «Anstiftung zum Aufruhr» formal beim Senat eingereicht. Doch ein Teil der Republikaner sperrte sich gegen das Verfahren, an dessen Ende Trump die rückwirkende Amtsenthebung und der Verlust sämtlicher staatlicher Privilegien droht.
Zur Erinnerung: Trump gilt durch das Repräsentantenhaus schon (und bereits zum zweiten Mal) als «impeacht» – nur eine mögliche Verurteilung inklusive Amtsenthebung steht noch aus. Darüber muss der Senat im Rahmen eines geordneten Verfahrens entscheiden.
Doch genau diese Entscheidung verweigern viele Republikaner grundsätzlich. Gleich am Dienstag forderte der republikanische Senator Rand Paul (58), das Impeachment-Verfahren für verfassungswidrig zu erklären – weil Trumps Amtszeit bereits beendet ist. Sein Antrag im Senat scheiterte zwar mit 55 zu 45 Stimmen, doch das dünne Stimmverhältnis bei der Quasi-Vorabstimmung zeigt: Mit der benötigten Zweidrittelmehrheit wird es schwierig.
Wann gehts nun los mit dem Impeachment-Prozess?
Am 9. Februar. Darauf haben sich Demokraten und Republikaner geeinigt.
Warum nicht früher?
Erstens, damit sich die Anklagevertreter und die Verteidiger vorbereiten können. Bis zum 8. Februar sollen schriftliche Argumente des Repräsentantenhauses und der Trump-Anwälte vorliegen. Chefankläger Jamie Raskin (58) will das viele Bildmaterial vom Kapitol-Angriff am 6. Januar eindrücklich zusammenstellen.
Zweitens, weil sich der Senat bis zum eigentlichen Start des Verfahrens um andere Angelegenheiten kümmern will – etwa um die Bestätigung von Bidens Ministerinnen und Ministern.
Wie läuft der Impeachment-Prozess ab?
«Das ist kein gewöhnlicher Prozess», erklärte die Rechtsprofessorin Melissa Murray von der New York University am Dienstag in einem Interview mit «CNBC». Zum einen, weil der Angeklagte kein gewöhnlicher Angeklagter ist, sondern ein ehemaliger US-Präsident. Zum anderen, weil die Jury nicht unparteiisch ist – weil die Senatoren selbst als Jury fungieren. Zudem gäbe es keine klassischen «Beweise» über den «begründeten Zweifel» hinaus. «Jeder Senator muss sich individuell die Frage stellen: Wurde die Schwelle für eine Amtsenthebung übertreten?»
Für die Amtsenthebung braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Aktuell haben die Demokraten jedoch nur eine hauchdünne Mehrheit – beide Parteien stellen seit der US-Wahl je 50 Senatoren. Entscheidend ist bei engen Abstimmungen die zusätzliche Stimme von Vizepräsidentin und Demokratin Kamala Harris (56).
Die Senatoren stimmen über zwei Dinge ab:
1. Die Verurteilung oder den Freispruch von Donald Trump wegen Anstiftung zum Aufruhr
Das ist praktisch schon passiert, weil seine Amtszeit bereits beendet ist. Republikanische Senatoren könnten also auch für die Verurteilung stimmen, ohne grosse Folgen fürchten zu müssen.
2. Die Frage, ob er von künftigen Regierungsämtern ausgeschlossen werden sollte
Verteidigt sich Trump persönlich?
Nein.
Darf ein Ex-Präsident überhaupt impeacht werden?
Darum gibt es seit Wochen Zoff. Viele Republikaner finden, für das Verfahren gegen Trump als Privatmann gebe es in der Verfassung gar keine Grundlage. Die meisten Rechtsexperten sehen aber kein Problem. Es geht bei dem Prozess vor allem darum, Trump von einer erneuten Kandidatur 2024 abzuhalten sowie ihm Privilegien, die ihm als Ex-Präsidenten zustehen, zu streichen.
Ist der Impeachment-Prozess bereits zum Scheitern verurteilt?
Jein. Beim ersten Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump – das vor rund einem Jahr stattfand – war der Senat noch republikanisch kontrolliert, nur ein republikanischer Senator (Mitt Romney) stimmte mit den Demokraten für die Amtsenthebung.
Diesmal haben die Demokraten eine dünne Mehrheit und mindestens die fünf Stimmen, die gegen den Antrag von Senator Rand Paul gestimmt haben, könnten sich gegen Trump stellen. Dann fehlen aber immer noch mindestens ein Dutzend Stimmen zu den nötigen 67 Stimmen (Zwei-Drittel-Mehrheit).
«Es ist eine Frage des Kompromisses», sagt Rechtsprofessorin Melissa Murray. Klar ist: Nach dem Kapitol-Angriff und Trumps Amtsende werden sich viele Republikaner zumindest nicht leichtfertig gegen die Verurteilung entscheiden.
Lohnt sich der Prozess trotzdem?
Aus demokratischer Sicht: ja. US-Präsident Joe Biden (78), der sich mit Blick auf das Amtsenthebungsverfahren gegen seinen Vorgänger weitgehend bedeckt hält, sagte «CNN», er glaube zwar nicht, dass 17 Republikaner für eine Verurteilung Trumps stimmen würden, sprach sich aber klar für das Verfahren aus. «Ich denke, dass es geschehen muss.»
Der Kapitol-Angriff hat beide Parteien tief erschüttert. Bereits durch die offizielle Anklageschrift aus dem Repräsentantenhaus gilt Ex-Präsident Donald Trump als «impeached» – als einziger Präsident bereits zum zweiten Mal.