Island befindet sich nach den Enthüllungen der Panama Papers in einer Staatskrise: Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson habe die Auflösung des Parlaments beantragt, sagte Präsident Olafur Ragnar Grimsson.
Gunnlaugsson hatte den Schritt angekündigt für den Fall, dass er die Rückendeckung seines Koalitionspartners Fortschrittspartei verlieren sollte.
Grimsson erwiderte darauf, er wolle vor seiner Entscheidung über Neuwahlen Gespräche mit den grossen Parteien führen. Weil er noch nicht mit dem Regierungspartner von Gunnlaugssons Fortschrittspartei, der Unabhängigkeitspartei, gesprochen habe, habe er die Erlaubnis zunächst nicht erteilt, sagte er vor Journalisten.
Die Opposition hatte einen Misstrauensantrag gegen Gunnlaugsson gestellt, über den in den kommenden Tagen entschieden werden könnte.
Parlament mit Eiern und WC-Papier beworfen
Zuvor war der Name des liberalen Ministerpräsidenten Gunnlaugsson in Verbindung mit den Panama Papers aufgetaucht.
Die Geheimdokumente belegen, dass seine Frau Anna Sigurlaug Palsdottir die Briefkastenfirma Wintris Inc. betrieb, die Anteile an den 2008 zusammengebrochenen Banken des Landes hielt. Gunnlaugsson sei bis 2009 an der Firma beteiligt gewesen.
In Reykjavik protestierten gestern mehr Menschen als nach Bekanntwerden der Aufsichtspannen bei der Bankenkrise von 2008, die das kleine Land an den Rand des Ruins getrieben hatte.
Wütend forderten sie der Rücktritt ihres Premiers, einige deckten das Parlamentsgebäude mit Eiern und Toilettenpapier ein. Für heute wurde eine erneute Demonstration angekündigt.
«Ich schäme mich für mein Land»
Gunnlaugsson lehnte einen Rücktritt bisher vehement ab. Gegenüber Medien beteuerte er gestern, dass in der Offshore-Firma lediglich das Vermögen seiner Frau liege und sie alles sauber deklariert, sprich keine Steuern hinterzogen habe.
Doch so recht glauben mag ihm das keiner. «Ich schäme mich für unsere Regierung, für unser Land», skandierte gestern einer der Organisatoren der Proteste – und sprach dabei wohl so manchem Isländer aus der Seele.
Besonders übel nehmen die Isländer Gunnlaugsson, dass er es offenbar nicht als nötig erachtete, sich an die nach dem Absturz der Wirtschaft eingeführten Kapitalverkehrskontrollen in Island zu halten.
Um einen totalen Zusammensturz des Finanzsystems zu verhindern, sind Isländer eigentlich angehalten, ihr Geld zu Hause anzulegen; selbst wenn sie in den Urlaub fahren, dürfen sie nur begrenzt Kronen tauschen. Nun glaubt das Volk, ihr Premier habe sich mit Offshore-Geschäften dieser Regel bewusst entzogen. (gr)