An Peinlichkeit war Trumps Bibel-Foto am Montagabend kaum zu überbieten. Erst liess er friedliche Demonstranten attackieren, um den Weg zur St. John's Episcopal Church freizuräumen. Dann schüttelte er das Buch gar – als wüsste er nicht so recht, was er mit der Heiligen Schrift anfangen soll. Die zuständige Bischöfin empörte sich über den Missbrauch ihrer Kirche als Fotokulisse: «Trump hat nicht mal gebetet!»
Das könnte Trump gefährlich werden. Eine Umfrage der US-Denkfabrik PRRI zeigt: Fünf Monate vor den Präsidentschaftswahlen hat Trumps Verhältnis zur wichtigen christlichen Wählerschaft gewaltige Risse. Nach einem kurzen Hoch hat er im April bei den Reformierten am meisten Zustimmung eingebüsst – 18 Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat. Auch bei den weissen Katholiken (12 Prozent) und den Evangelikalen (11 Prozent) verlor er an Zustimmung.
Religiöse Amis wählen eher einen Republikaner
Trump schaut nervös auf diese Zahlen. Denn was die Beziehung zwischen Politik und Religion angeht, sind die USA ein Spezialfall. Je religiöser etwa ein Amerikaner ist, desto wahrscheinlicher wählt er republikanisch. «God Gap» nennt die Wissenschaft diese Beobachtung.
Trump nutzt das. Schon im Wahlkampf 2016 sprach Trump vor Beginn und Ende der Auftritte Gebete. Der Abtreibungsgegner Mike Pence sicherte ihm als «Running Mate» die Unterstützung politisch rechtsorientierter Christen. Am Ende sahnte Trump mehr Stimmen der Evangelikalen und Katholiken ab als Bush Junior seinerzeit. Zu seiner Vereidigung lud er sechs religiöse Führer – so viele wie kein anderer Präsident.
Tatsächlich ist Trump wohl der am wenigsten gottesfürchtige Präsident. Trump ohne Gott – so lässt sich der Lebensstil des US-Präsidenten bestens zusammenfassen: drei Ehen, zahlreiche Affären, unsaubere Geschäfte, Gewaltaufrufe. Mit dem christlichen Gedanken der Vergebung kann er nach eigener Aussage nichts anfangen.
Fernsehpredigerin berät Trump
Trumps Kirche, die reformierten Presbyterianer, bei denen er auch das erste Mal vor den Altar trat, distanzierte sich wegen seiner «falschen Politik» gegenüber Ausländern und Muslimen bereits vor Jahren von ihm. Aus einem Rausschmiss wurde allerdings nichts: Trump war in keinem Mitgliederverzeichnis zu finden.
Trotzdem braucht Trump die Religion auch bei der kommenden Wahl wieder als Steigbügelhalter. Darum das peinliche Bibel-Foto. Oder der Entscheid im vergangenen Dezember, die Fernsehpredigerin Paula White (54) als Beraterin ins Weisse Haus zu holen. Sie sei «schön von innen und aussen», findet der US-Präsident. Und: Wie Trump ist White bereits zum dritten Mal verheiratet, liebt Luxus und twittert gern und viel.